Marianne aufgebockt am Rande des Lake Okeechobee

Die Segelsaison 2014 ist beendet

Butter bei die Fische: Marianne steht aufgebockt und trockengelegt am Rande des Lake Okeechobee in Florida und wird sich dort auch erst mal nicht wegbewegen. Der Captain und ich sind in der Heimat, knapp achttausend Kilometer entfernt von unserem schwimmenden zu Hause der letzten drei Jahre.

Unser Traum war seit geraumer Zeit im August diesen Jahres in meinem Heimathafen, auf der Hanse Sail in Rostock einzulaufen – mit Rückenwind und Parasailor, dröhnendem Minimal Techno aus dicken Boxen an Bord und Guitarhero Ed DeGenaro, der dazu DAS Gitarrensolo seines Lebens auf dem Bug der Marianne zockt. Doch aus die Maus, der Traum ist geplatzt… vorerst.

Wann Vision und Realität angefangen haben auseinander zu driften, kann ich gar nicht so genau sagen. Wir waren irgendwie schon immer unserem Zeitplan ein wenig hinterher, doch so schlimm schien es zunächst nicht.

Mit dem Finger auf der Landkarte: Ausschnitt aus einem unserer Videos
Mit dem Finger auf der Landkarte: Ausschnitt aus einem unserer Videos

Mit dem Finger auf der Weltkarte steckten wir unsere Strecken ab. Zwei Daumenbreiten sind achthundert Seemeilen, schafft man in zwei Wochen, vielleicht zehn Tage, wenn der Wind mitspielt. Noch war ja genügend Puffer, um mal hier und dort ein paar Tage weniger in einem Land zu verbringen und so doch noch rechtzeitig vor der Sturmsaison Ende Mai aus New York über den Atlantik gen Heimat aufzubrechen.

Smutje Hannes bei der Eimerdusche
Smutje Hannes bei der Eimerdusche

Wenn man die Zeit an Bord mit einem Eimer voller Salzwasser vergleicht, das aus einem Loch langsam raustropft, dann stand der Pegel bei der Ankunft in Brasilien im April 2012 noch auf seinem Spitzenwert. Doch eine Mischung aus langwierigen Reparaturarbeiten an unserem vierzig Jahre alten zwölf PS Einzylinder Dieselmotor und großartigen brasilianischen Musikern, bohrten ein größeres Loch in unseren Zeiteimer.

Einer von vielen brasilianischen Mechanikern bei uns an Bord
Einer von vielen brasilianischen Mechanikern bei uns an Bord

Egal wie viele Mechaniker Brasilien uns auch an Bord schickte, keiner vermochte unseren Motor wieder zum Laufen zu bringen. Etliche Reais wechselten die Portemonnaies, doch spätestens kurz vor der Einfahrt in einen neuen Hafen sprang unsere Maschine wieder nicht an. So haben wir im Prinzip die brasilianische Küste komplett ohne Maschine abklappern müssen und dank Fußball WM dürfte nun fast jeder wissen, dass Brasilien nicht gerade das kleinste Land ist.

Eigentlich braucht man seinen Motor auf Hoher See auch gar nicht und sogar in einen Fluss in Französisch-Guyana sind wir schon unter Segeln rein und wieder raus. Doch manchmal wurde es in Landnähe ganz schön aufregend, wenn plötzlich der Wind nachließ und wir auf irgendwelche Felsen zutrieben.

Dem Käpt'n reicht es nach zweieinhalb Tagen Flaute vor Trinidad und Tobago
Dem Käpt’n reicht es nach zweieinhalb Tagen Flaute vor Trinidad und Tobago

In Trinidad und Tobago war unsere Rostlaube dann so hinüber, dass wir uns nach zweieinhalb Tagen des Herumtreibens vor den Toren Chaguaramas dazu entschlossen, das Teil generalüberholen zu lassen.

Unsere Knatterkiste ist endlich draußen
Unsere Knatterkiste ist endlich draußen

Bei der schwierigen Angelegenheit den großen Motor durch die kleine Öffnung im Cockpit zu manövrieren und Ersatzteile zu organisieren, verplemperten wir doch einiges von unserer salzigen Zeit mit dem Lebensgefühl der entspannten Insulaner. Als dann bei der Abfahrt aus Kuba Rauch aus dem Motorraum die Kajüte vernebelt, kann auch der größte Optimist in mir die schlechten Gedanken nicht mehr wegreden. Wir schaffen es nicht.

Dunkler Rauch aus dem Motorraum
Dunkler Rauch aus dem Motorraum

…jedenfalls nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Anstatt „Segeln und Musik“ wäre unser Motto bis zur Ankunft auf „Segeln“ zusammengeschrumpft. Doch sind wir nicht gerade deshalb zu diesem Weltmusikabenteuer aufgebrochen, weil wir uns nicht von heraustropfender Zeit aus imaginären Gefäßen determinieren lassen wollten? Das Recht der Jugend, den salzigen Mittelfinger gen gesellschaftliche Konventionen zu erheben können wir uns doch jetzt nicht einfach aus der Hand nehmen lassen!

Nun gut, als Mittzwanziger sind wir dem Jugendalter wohl so langsam entkommen und spüren das erste Mal in unserem Leben, was es heißt, erwachsen zu werden und Verantwortung für andere zu übernehmen:
Den vielen großartigen Künstlern sind wir es schuldig, nicht durchzurasen, sondern uns Zeit zu nehmen, um das Beste aus ihren Songs herauszuholen. So viele Perlen liegen noch versteckt in unseren Archiven, dass wir uns derzeit hinter die Rechner klemmen und versuchen, all die Schätze zu heben. Wir haben noch ganz viel vor und die Sailing Conductors sind noch lange nicht am Ende. Im Gegenteil – wir gehen in die Verlängerung!

Wer so lange nicht warten möchte, kann ab September im digitalen Programm der ARD auf EinsPlus unsere Reise in vier Episoden nachvollziehen. Im halbstündigen Serienformat Soundwave2Berlin bekommt ihr intime Einblicke in drei Jahre selbstgefilmtes Segelmusikabenteuer.

Da Universal seltsamerweise den Soundtrack zur Serie nicht haben wollte, mussten wir diesen im letzten Jahr auf unserem eigenen Label selbst veröffentlichen und ich kann verraten, eine limitierte Auflage von ca. tausend Stück ist noch vorhanden…

Also ran an den Speck und fleißig auf music.sailingconductors.com bestellen, das freut Musiker aus aller Welt.

Bis dahin,
Smutje Hannes und sein Captain Ben

Senf dazugeben