USAiling. Ein Road Trip durch die Staaten. Teil 3. LA und San Francisco

Habe ich schon erwähnt, dass wir keine Karte haben? Und es hier kein Netz gibt und das GPS nicht funktioniert? Also, wir haben keine Karte. Und kein Netz. Und wir wollen noch schnell zum Lake Powell, denn Lincoln hat sich den Stausee in den Kopf gesetzt und will da jetzt hin. Wir sehen ein Schild mit der Aufschrift „Lake Powell“ und geben Gas. Naja, Gas ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Wir bedienen vorsichtig das Gaspedal, denn auch hier überall wieder – Speed Limit. Wir müssen dringend tanken, doch weit und breit nichts außer Highway und Schwärze (es ist mittlerweile dunkel).Doch dann nach zwei Stunden ein Licht am Ende des Tunnels. Ein Dorf. Drei Häuser. Davon eines eine Bar. Wir fragen nach, wie weit es noch zum Lake Powell ist, denn gefühlt müssten wir schon vier mal dagewesen sein. Wir sind auf der richtigen Straße, noch eine halbe Stunde. Zum Glück. Es geht weiter und immer noch keine Tankstelle. Die rote Lampe leuchtet schon lange. Eine halbe Stunde später rollen wir mit den letzten Tropfen Sprit in Flagstaff ein. Hier soll doch der Stausee sein. Schnell tanken und das nächstbeste Motel, denn es ist schon wieder viel zu spät. Auch der Gutenacht Drink in der nächsten Bar wird abgewunken. Dafür machen wir schnell noch mal den Laptop an, denn hier gibt es Internet. Und sind zu müde, um uns aufzuregen. Wir stellen nämlich fest, dass Lake Powell genau da ist, wo wir vor drei Stunden gestartet sind. Als wir in der Bar nach dem Weg gefragt haben, waren wir zwar auf der richtigen Straße, nur in der falschen Richtung. Und dann ist Flagstaff auch noch südlich vom Grand Canyon. Also da, wo wir eigentlich auf gar keinen Fall sein wollten. Ein völliger Griff ins Klo, aber hey! Was soll’s. Wir verbuchen alles unter „Shit happens – all the time“ und machen das Licht aus.

Na, geht doch. Endlich mal ein paar Schilder
Na, geht doch. Endlich mal ein paar Schilder

Wir lassen Lake Powell Lake Powell sein und setzen neuen Kurs. Las Vegas, die Stadt, die niemals schläft. Wir sind gut drauf, voller Energie und Tatendrang. Wir wollen ankommen. Laut Musik an und los. Bestimmt ist das langsame Auto vor uns Schuld, dass wir kurze Zeit später hinter uns ein Blaulicht sehen. Oder das langsame Auto neben uns. Was will der jetzt von uns? Der will bestimmt nichts von uns. Wir wollen doch nach Las Vegas! Genervt zieht Reini auf den Standstreifen rüber und bleibt stehen. Leider kommt auch Mr. Blaulicht hinter uns zum Stillstand und steigt aus. „Good Morning, Sir. You drove 90 in a 65 mph zone. Are you in a hurry?“ Ja Mann, Las Vegas wartet!

Wir erklären dem Cop, dass wir den Highway aus Versehen mit einer deutschen Autobahn verwechselt haben
Wir erklären dem Cop, dass wir den Highway aus Versehen mit einer deutschen Autobahn verwechselt haben

250 Dollar leichter rollen wir wieder los. Und erwischen uns wieder ständig bei 90 Meilen auf der Nadel. Zum Glück keine Cops mehr. Das wäre bitter. Schnell noch kurz den Hoover Dam anschauen, den größten Stausee der USA, und dann rein ins Geschehen. Nach den paar Tagen im absoluten Nichts ist das Getümmel in Las Vegas ganz schön aufregend. Jetzt brauchen wir nur noch eins von diesen tausend Hotels und ab dann heißt es: What happens in Vegas, stays in Vegas…

Der Hoover Dam, Amerikas größter Staudamm
Der Hoover Dam, Amerikas größter Staudamm
What happens in Vegas, stays in Vegas
What happens in Vegas, stays in Vegas

Eine Nacht in Las Vegas reicht dann auch. Mit schwerem Kopf machen wir uns auf in die Stadt der Engel – Los Angeles. Es ist nicht mehr sehr weit, doch in unserer Kondition zieht sich jede Meile endlos dahin. Und der Magen knurrt auch. Also Pause und Burger in einem kleinen Kaff direkt neben dem Highway. Beim Bezahlen erzählt uns die Bedienung von einer Geisterstadt, die hier in der Gegend sein soll. Na, das lassen wir uns doch nicht entgehen. Wir geistern also zu Kaliforniens größter Silbermine in 1881. Calico Ghost Town. Als wir ankommen ist alles schon geschlossen. Aber anstatt den Kopf in den Silbersand zu stecken, entdecken wir lieber auf musikalisch experimentelle Weise, wie es sich vor über 130 Jahren angefühlt haben muss, in diesen Minen zu arbeiten.

Calico Ghost Town
Calico Ghost Town

[vimeo id=”97102845″ align=”center” mode=”lazyload” maxwidth=”600″]

In Los Angeles haben wir uns in einem Hostel einquartiert, da wir hier ein paar Tage bleiben wollen. Wir haben auch schon einige Kontakte über Freunde erhalten und wollen alle Musiker in den nächsten Tagen abgrasen. Leider geht von hier für Reini schon bald der Flieger nach Hause. So schnell können drei Wochen umgehen und der Schreibtisch zuhause fühlt sich vernachlässigt und ruft nach Hilfe. Aber ein bisschen Zeit bleibt ihm noch und deshalb kochen wir etwas zusammen in der Hostelküche. Und während wir so kochen, lernen wir unsere Zimmernachbarin Shai kennen. Shai ist aus New York, ist aber vor kurzem nach LA gekommen, um hier eine Karriere als Sängerin zu starten. Na, dann kann’s bei uns mit der Karriere ja gleich losgehen und schon stehen wir in unserem Hostelzimmer und das rote Record-Lämpchen leuchtet.

Shai singt spontan ihren Song
Shai singt spontan ihren Song “Secret Identity” ein

Wir haben noch viel vor heute und packen schnell unser ganzes Zeug zusammen, denn gleich treffen wir auch schon Will am Strand von Longbeach. Dieser hat, glaube ich, die ganze Nacht durchgefeiert, spielt seinen Bass aber trotzdem, als hätte er die ganze Nacht geübt. Will spielt hauptsächlich Bass in seiner Band, mit der er viel durch die USA tourt, aber er möchte auch ein kleines Ständchen auf der Gitarre zum Besten geben.

Will am Bass für Chokey's
Will am Bass für Chokey’s “Live Up” aus Jamaika

Wir sind begeistert von LA, doch es ist so wahnsinnig groß. Wenn man von A nach B will, sollte man besser eine Stunde Fahrtzeit einplanen. Im Grunde genommen sind LA viele größere Städte, die mit riesigen Highways verbunden sind. Und wo wir schon mal hier sind, müssen wir natürlich auch das berühmte Venice Beach abchecken, was ich bis jetzt nur aus Tony Hawk’s Pro Skater 2 kenne. Es ist auch wirklich zum verwechseln ähnlich. Fast als wäre ich schon mal hiergewesen. Dann hat Lincoln plötzlich starke Surf-Entzugserscheinungen und kauft sich das günstigste gebrauchte Brett im Laden. Ganz praktisch sind diese weit ins Wasser herausragenden Docks. Da kann man ganz nah dabei sein und dem Surfer auf die Finger gucken, auch wenn man selbst nicht ins eiskalte Wasser will.

Hier dürfen nur die Besten rein
Hier dürfen nur die Besten rein
Vom praktischen Dock aus können wir Linc ganz genau auf die Finger schauen
Vom praktischen Dock aus können wir Linc ganz genau auf die Finger schauen

Weiter geht es am nächsten Tag mit Mark, einem leidenschaftlichen Reggae-Gitarristen und Sänger. Mark hat das Konzept unseres Projektes voll verstanden und so schlägt er vor, in den Ballona Creek Wetlands aufzunehmen, eines der letzten bedeutendsten Feuchtbiotope von Los Angeles. Mark wuchs schon als Kind mit Reggae auf, da sein Kindermädchen aus Jamaika kam und immer Reggae hörte. Das gefiel im besser als Beethoven, Mozart und Bach, was seine Eltern immer hörten. Interessanterweise erfahren wir, dass Reggae in Kalifornien im Moment total angesagt ist und fast größer ist als Reggae in Jamaika. Sagt Mark jedenfalls und dem glauben wir jetzt mal. Er spielt dann seinen großartigen Summertime Blues für uns und dann greifen sich auch Linc und Reini noch Instrumente und spielen zu einem Reggae Song aus Jamaika ein.

Alle greifen sich Instrumente und spielen zu Chokeys
Alle greifen sich Instrumente und spielen zu Chokeys “Live up” aus Jamaika

Natalie Emmons kommt zu Besuch aus San Diego. Ich habe Natalie vor fünf Jahren in Sydney kennengelernt und die damalige Musical Tänzerin arbeitet jetzt fleißig an ihrer Gesangskarriere. Und möchte unbedingt bei unserem Projekt mitwirken. Wir gehen alle zusammen feiern, denn morgen früh fliegt Reini leider nach Deutschland zurück. Wir sind ganz traurig und lassen es deshalb ordentlich krachen. Danach sind wir wieder froh, denn Reini hat seine 9-Uhr Maschine nicht verpasst. Guter Mann. Mit Natalie beginnt jetzt ein sehr intensiver Tag. Nach gefühlten 20 Minuten Schlaf zeige ich ihr einen Song von Thales Branches aus Brasilien. Der hat damals ein Improvisations-Instrumental Stück ausgepackt und Natalie ist begeistert davon und schreibt in 20 Minuten ihren eigenen Text dafür. Dann packen wir wieder mal unsere sieben Sachen zusammen und ziehen um die Häuser, um nach einem tollen Ort in Downtown LA Ausschau zu halten. Natalie erzählt uns von den vielen Graffiti Wänden überall und davor will sie singen. Klingt gut, auf geht’s. Und tatsächlich sehen wir zahlreiche Graffitis an den Wänden. Nicht irgendein Geschmiere, sondern richtige Künstler stehen hier an den Wänden und arbeiten. Und irgendwann finden wir dann auch eine geeignete Stelle für uns und bleiben bis die Sonne unter geht und es zu dunkel wird zum filmen.

Künstler bearbeiten die Wände von Downtown LA
Künstler bearbeiten die Wände von Downtown LA
Die Arbeiter freuen sich bestimmt über das kleine Ständchen
Die Arbeiter freuen sich bestimmt über das kleine Ständchen

Abends verabschieden wir uns von Natalie. Sie muss zurück nach San Diego und wir weiter nach San Francisco, unserem letzten Ort auf diesem Road Trip durch die USA. Es ist allerdings noch ein ganzes Stück bis dahin und wir sind müde, deshalb entscheiden wir uns für einen Zwischenstopp in Santa Barbara. Hier will Lincoln auch noch mal sein neues gebrauchtes Surfbrett ausprobieren. Am nächsten Morgen gibt der Bursche an der Rezeption uns den Insidertipp, wo hier der beste Ort zum Wellenreiten ist. Der Mann hat nicht gelogen. Lincoln ist begeistert und will gar nicht mehr aus dem Wasser raus. Trotz 15 Grad Wassertemperatur und seinen halb abgefrorenen Füßen.

Die Wellen sind heute traumhaft
Die Wellen sind heute traumhaft

Und dann sind wir endlich in San Francisco. Nach etwa 2600 Kilometern und 10 Tagen im Chevrolet Impala mit schlechten Lautsprechern und ganzen 2 CDs. Ein Glück wartet Max schon auf uns, mein Kumpel, mit dem ich in Sydney 10 Monate lang das Zimmer geteilt habe. Jetzt dürfen wir bei ihm und seiner Freundin für eine Woche auf dem gemütlichen Sofa unser Lager aufschlagen. Nach den letzten vollgepackten Tagen während der Reise, lassen wir es hier ein bisschen entspannter angehen. Wir fahren mit dem Auto (oh nein, nicht schon wieder Auto!) über die Golden Gate Bridge und schauen uns San Francisco von den Bergen auf der anderen Seite an. Wir besuchen spontan ein Baseball Spiel – San Francisco Giants gegen die Cleveland Indians – wo wir den weltbesten Home Run miterleben dürfen. Fast hätten wir den Ball gefangen! Wir gehen ins Nachtmuseum und werden zum schlechtesten Konzert der Welt eingeladen. Yoshiki, du bist der Größte! Die Woche geht wie im Fluge vorbei. San Francisco ist eine geniale Stadt. Hier könnte ich mir durchaus vorstellen, irgendwann mal zu wohnen.

Das Giants Stadion. Hier braucht man ein Segelboot mit hohem Mast, dann kann man das Spiel mit anschauen
Das Giants Stadion. Hier braucht man ein Segelboot mit hohem Mast, dann kann man das Spiel vom Wasser aus mit anschauen
Yoshiki gibt Vollgas
Yoshiki gibt Vollgas
Max zeigt, wie man richtig Cello spielt
Max zeigt, wie man richtig Cello spielt

Und dann sitze ich auch schon wieder im Shuttlebus zum Flughafen. Es geht nach 25 Tagen zurück nach Miami und zurück zur Marianne. Wir haben ganz schön viel erlebt und ich bin zufrieden, denn außer den 200 Kilos Equipment im Gepäck, habe ich jetzt noch zusätzliche 200 Kilo tolle Musik im Sack stecken. Also, jetzt erst mal in Miami ein bisschen verschnaufen und dann schauen, wie es weitergeht. Das nächste Abenteuer steht bestimmt schon vor der Tür.

Senf dazugeben