Abschied nehmen

Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Artikel schreiben soll. Denn wie viel Öffentlichkeit verträgt das Privatleben? Interessiert es überhaupt Menschen, die ein Segel-Musik-Abenteuer verfolgen, was bei mir so ganz persönlich vorfällt? Andererseits waren wir schon immer ehrlich und vielleicht erklärt sich so zumindest die Funkstille in der letzten Zeit.

Wie ihr vielleicht schon mitbekommen habt, bin ich gerade in Deutschland. Eigentlich könnte ich es mir nicht leisten, nur um persönlich auf der „SAE Alumni Award“ Verleihung unseren „Special Judges’ Prize“ abzuholen, durch die Welt zu jetten. Doch dies ist nicht der wahre Grund der Heimreise.

Als wir im März 2011 aufbrachen, um die große Welt zu entdecken, waren vor allem unsere Eltern nicht sehr begeistert. Bei größtem Verständnis für ihr Unverständnis rückten wir jedoch nicht von der einstmaligen „Schnappsidee“ ab und ließen unsere Eltern in großer Sorge zurück. Doch bereits im Anschluss unserer Jungfernfahrt von den Salomonischen Inseln nach Papua-Neuguinea sollte ich nicht mehr das Sorgenkind sein. Bei meiner Mutter wurde ein bösartiger Gehirntumor diagnostiziert.

Für mich stellte sich damals natürlich die Frage, wie sinnvoll so ein Projekt für mich noch sein könne, wenn zu Hause meine Mutter einem viel zu kurzen und qualvollen Lebensende gegenüber steht. Sollte ich bei ihr sein oder weiter machen, um ihr und mir Vorwürfe über gescheiterte Träume zu ersparen? Keiner der beiden Alternativen konnte die „richtige“ sein, jedoch gaben mir die Reaktionen von Freunden, Musikern und natürlich euch – unseren Anhängern – das Gefühl, mich nicht total falsch entschieden zu haben.

Auch die Einstellung meiner Eltern, und vor allem meiner Mutter, haben mich in dieser Entscheidung schließlich bekräftigt. Letztes Jahr zu Weihnachten sagte sie zu mir: „Hannes, mach das, was Dir Spaß macht – so lange Du noch kannst.“

Am 25. September 2012 schlief meine Mutter friedlich im Hospiz ein. Wir befanden uns zu diesem Zeitpunkt auf See von Madagaskar nach Südafrika. Dass ich auf ihrem letzten Weg nicht für sie da sein konnte, wie sie es immer für mich war, tut mir unendlich weh. Doch möchte ich nicht in Selbstmitleid versinken, denn schließlich ist es ja sie, die das größte Leid zu tragen hat.


Auf der Trauerfeier brechen beide Welten auf mich herein, als unsere Aufnahme aus Australien zu hören ist.

Ich möchte nach vorne blicken, möchte bewegen, verändern und versuchen, meine Mutter so stolz zu machen, wie ich auf sie bin.

Danke Mutti. Für Alles.

Bild: blog.sae.edu

5 Gedanken zu „Abschied nehmen“

  1. Dear Hanness,
    I was very touched when I read this article. I understand your mood because my grandfather just passed away not long. Your mother is a woman who loves you the most, although in a different world, but I believe she can see and pray all good things for you.
    Don’t forget that I and so many friends around love and support you very much!

  2. Lieber Hannes!

    Obwohl wir einander nicht persönlich kennen, wählen wir die vertraute Anrede “Du”.-
    Wir sind Reinhard’s Eltern und haben Euch über längere Zeit in Gedanken “begleitet”. Auf Eurer Website konnten wir die Abenteuer, Kompositionen und musikalischen Begegnungen der Sailing Conductors miterleben.
    Von Reinhard haben wir vor längerer Zeit erfahren, dass Deine Mutter schwer erkrankt ist. Das hat uns sehr berührt und wir können nur ahnen, wie schmerzlich der Abschied für beide Seiten gewesen sein muss.

    Wir senden Dir unser tiefes Mitgefühl zum Tod Deiner lieben Mutter.
    Allein die Tatsache, dass sie Dich für die große Abenteuerreise bewusst freigegeben hat, zeigt, welchen Stellenwert es für sie bedeutet, dass Du in Dein eigenes Leben übertrittst und es selbst mit Sinn erfüllst.

    Deine Mutter wollte Dich nicht belasten. Erfülle ihr diesen Wunsch! Lass’ aus Deiner Trauer Gedenken werden.

    Für Deinen weiteren Lebensweg alles Gute.
    Mit lieben Grüßen

    Claudia und Ralf Liebers

  3. Ja Hannes, es interessiert uns. Ihr seid schließlich nicht nur eine Crew, oder Musiker die ein Album aufnehmen – Ihr seid Menschen!

    Mein ehrliches Beileid!

    Kopf hoch,
    Matthias

    Per aspera ad astra…

  4. Unser herzliches Beileid Hannes. Wir wissen von was Du sprichst und von Sorgen daheim. Wir sind die Freunde vom Christoph der Euch in Singapur besucht hat und die selbst unterwegs sind… Weiterhin gute Reise und Deine Entscheidung war bestimmt die richtige !!Domi @ http://www.sailonsunday.de in drei Wochen gehts bei uns uebern Atlantik..

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