Noch bevor ich meine Augen öffne, nehme ich das sanfte Schaukeln meines zu Hauses wahr. Langsam aber stetig wiegt mich Marianne in meiner Koje durch den warmen Morgen. Die Sonne lugt schon eine Weile über den Horizont und ich entschließe mich dazu aufzustehen. Für ein paar Augenblicke hänge ich noch der Nacht hinterher, wanke und schwanke etwas verloren in der kleinen Pantry. Dann beginne ich den Tag damit, Wasser für den Kaffee aufzusetzen.
Wie seit knapp einer Woche hat der Wind pünktlich zu meinem Schichtende um vier Uhr nachgelassen. Wie fast immer „keine besonderen Vorkommnisse“ – keine Schiffe, Bohrinseln oder Stürme. Wie jeden Morgen beendet mein Kapitän seine Schicht mit „Moin moin. Kaffee?“ Seit einer Woche sind wir auf dem Weg von Darwin in Australien nach Bali. Ich bringe drei heiße Tassen an Deck, denn auf dieser Reise ist alles anders.
Veränderung Nummer 1: Wir sind zu dritt. Das heißt schon vor dem Frühstück können Kapitän Ben Bart und Smutje Hannes Hafenklang zusammen mit frisch angeheuertem Maat Marcel eine Runde Skat spielen. Nach dem Motto „Viele Hände machen der Arbeit schnell ein Ende.“ bietet sich dazu auch häufig Gelegenheit. Neben den Nachtschichten sind abwaschen, GPS checken und Segelstellung korrigieren zu dritt schnell erledigt!
Veränderung Nummer 2: Unsere Marianne ist fertig eingerichtet. Auf den vorherigen Überfahrten vertrieben mein Kapitän und ich uns den Tag mit anfallenden Reparaturen. Doch nach einem Monat Aufenthalt in Darwin konnten wir unter anderem einen Windgenerator installieren, die Selbststeuerungsanlage in Stand setzen, neue Bordbatterien besorgen und unser Schlauchboot flicken. Sogar die Toilette ist nun funktionstüchtig, alle Zu- und Abwasserschläuche sind erneuert und unsere Stereoanlage wird durch einen Subwoofer ergänzt! Es bleibt neben ausgedehnten Skat-Turnieren nun also Zeit um die Fahrt zu genießen und das Meer zu beobachten. So halt ich einige Minuten inne und bin sprachlos, als wir von einigen dutzend Delfinen begleitet werden. Mir stockt der Atem bei dem Anblick einer Walfamilie, deren kleinstes Familienmitglied immer noch größer ist als unsere Marianne. Aber auch eine einsame Seeschlange oder ein Thunfisch an der Angel erheitern das Gemüt des geknickten Seemannes nach einem Blatt ohne Trumpf und einem verlorenen Spiel.
Veränderung Nummer 3: Ergänzungen auf der Speisekarte. Nachdem ich alle übriggebliebenen Konserven, Kräcker und Tütensuppen unserer Vorbesitzer in den letzten Wochen mit mäßigem Erfolg an den (See)Mann bringen konnte, stand einem Einkauf im Australischen Supermarkt nichts mehr im Wege. Neben richtigem Kaffee, Schokolade, frischem Obst laben wir uns auf dieser Reise an selbstgemachten Käsespätzle, Pfannkuchen und Gulasch. Dank reichhaltiger Kost vergehen die tausend Seemeilen trotz vier Tagen Flaute rasend schnell und so freue ich mich schon auf unsere morgige Ankunft auf Bali. Dort können wir dann als gestandene Seemänner endlich unserer eigentlichen Aufgabe nachgehen: talentierte Musiker zu finden, um sie für unser Musikalbum aufnehmen.
4. Bericht - Woche 17 bis 22 - 02.07. bis 05.08.2011