Krisen vor Abfahrten – unser zweiter Unfall

Manchmal läuft aber auch gar nichts! Eigentlich wollten wir schon vor drei Tagen los, jetzt hängen wir hier immer noch in Simons Town fest und müssen wohl auch noch zwei weitere Nächte verbringen, bis wir endlich los nach Brasilien können.

Ich meine, wir kennen das Spielchen ja eigentlich schon. Wir setzen einen Tag der Abreise fest und fangen dann viel zu kurzfristig an, das Boot für die Überfahrt klar zu machen. Normalerweise kommen wir dann aber wenigstens den nächsten, oder übernächsten Tag los. Jetzt haben wir schon drei Tage Verspätung und das, wo wir doch pünktlich in Brasilien sein müssen, damit Benni seinen Rückflug zur Hochzeit seines Cousins noch erwischen kann!

Parasailor
Der Parasailor – Foto: istec.ag

Es fing schon so seltsam an. Eines Tages bekomme ich eine Mail von den netten Leuten von Istec, die sich dazu entschlossen haben, uns ihren super coolen Parasailor zur Verfügung zu stellen. Wir können unser Glück kaum fassen, schließlich hatte Bordratte Rudolf unseren alten Spinnaker total zerfressen und für die Strecke über den Atlantik mit seinen stabilen, achterlichen Winden ist dieses Segel einfach perfekt. Das Segel wurde extra designed für Weltumsegler-Paare. Das passt doch wie die Faust auf’s Auge – wir haben schon hier im Yachtclub den Pärchenrabatt bekommen. Als ich dann aber mit Alex telefoniere, stellt sich leider heraus, dass wir abfahren müssen, bevor er den Parasailor nach Kapstadt schicken kann. Eine Woche können wir nicht warten, denn Benni muss ja rechtzeitig in Rio sein, um seinen Flug nicht zu verpassen. Der Countdown läuft…

T minus 48 Stunden

Jamsession bei Dino an BordWir beginnen das Boot aufzuräumen und Benni wechselt noch schnell die alten Dieselschläuche von unserem Motor aus. Als wir unseren rostigen Freund dann zum Test mal starten wollen, springt er erst fast an, doch das war es auch schon. Unsere Seglerkollegen und auch der Marina Mechaniker machen sich bloß die Hände schmutzig und kommen alle zu demselben Ergebnis: Die Dieselpumpe ist kaputt. Diese zu reparieren würde ein paar Tage dauern, doch die haben wir nicht. Am Abend jammen (aus dem Englischen „to jam“ – Jargon für „improvisieren“) wir dann mit Dino vom Boot gegenüber bis in die Puppen. Er an der Djembe, Benni am Cello und ich an der Gitarre. Was für eine Nacht. (Später schaut sich Dino das Material an und beschließt, nie wieder Alkohol zu trinken…)

T minus 24 Stunden

Selbst Grumpy schafft es nicht Dieser Tag verschwindet komplett mit den Bemühungen, das alte Teil wieder zum Laufen zu bringen und wir entscheiden uns schweren Herzens dazu, ohne Motor die 3.500 Meilen nach Rio de Janeiro zu segeln. Warum auch nicht. Das ist zwar unsere längste Strecke, aber wir können sowieso nur für etwa zwei Tage den Motor laufen lassen, dann ist der Diesel alle. Und auch sonst schmeißen wir den Motor eigentlich selten an. Jede Flaute ist irgendwann mal vorbei und für Laptops und Kühlschrank haben wir schließlich unsere Solarpanels. Außerdem ist dieser Einzylinder echt verdammt laut. Alles vibriert, man kann keine Musik hören und eigentlich wartet man jedes Mal nur darauf, diese Höllen-Maschine endlich wieder abstellen zu können.

T

Ein Glück gibt es hier SchubkarrenWir haben längst eingesehen, dass wir es mal wieder nicht schaffen, heute loszufahren. Schließlich müssen wir noch die Wäsche wegbringen, einkaufen und ausklarieren. Morgens fällt mir dann noch ein, dass wir ja auch Alkohol brauchen. Nicht zum Trinken natürlich! Sondern zum Kochen. Und auch nicht für in den Topf, sondern darunter, zum Befeuern unseres Herdes. Auf dem Weg zur Wäscherei mache ich noch einen kurzen Stopp in der Apotheke meines Vertrauens und darf nur einen halben Liter denaturierten Alkohol für knapp zwei Euro mitnehmen. Das würde ungefähr für vier Tage Kochen reichen. Man darf hier wohl nicht mehr von diesem hundertprozentigen Alkohol kaufen, da zu viele Verzweifelte das Zeug schon getrunken haben und daran verreckt sind. Das Etikett verrät aber immerhin eine geheimnisvolle Nummer, die ins Handy eingetippt zu einer total ausgeflippten Frauenstimme mittleren Alters führt. Sie fragt, wozu wir denn zwanzig Liter bräuchten und als ich die Situation erkläre, will sie sofort mit nach Brasilien kommen. „Na klar!“ lüge ich und schon lässt sie sich breit schlagen, einen großen Kanister um fünf zu unserem Yachtclub zu liefern. Glück gehabt, warmes Essen gesichert und keine weitere Weltreise nötig.

Achtung PinguineEndlich können wir uns aufmachen, um das Auto von Adrew abzuholen. Er ist so nett und stellt uns seine alte Karre zur Verfügung. So können wir die fünf 25-Liter Kanister, die unseren Wasservorrat erweitern und kiloweise Gemüse, Brot und Konserven gemütlich im Auto besorgen, fahren direkt bis vor den Yachtclub, ohne ein Taxi zu bezahlen oder Kilometer von und zum Zug auf uns nehmen zu müssen. Die beiden Schubkarren im Yachtclub lassen uns den Einkauf dann sogar bis vor die Tür schieben. Yeah. Es bleibt sogar noch ein wenig Zeit, um vor Sonnenuntergang das Kap der Guten Hoffnung mal von der Landseite anzuschauen, bevor wir es umsegeln. In den Buchten davor gibt es sogar Pinguine und die dazugehörigen witzigen Straßenschilder.

T + 24 Stunden

Irgendwie weiß niemand so richtig Bescheid, wie das jetzt mit dem Ausklarieren läuft. Bis vor einem Monat konnte man das noch bequem, hier in Simons Town machen, aber nun ist alles anders. Angeblich muss man wohl mit dem Boot in einer der beiden Marinas in Kapstadt sein. Dann bekommt man einen Zettel, dass man alle seine Hafengebühren bezahlt hat und diesen gibt man dann beim Zoll ab und darf dann das Land verlassen. Das Problem an der Sache: Dorthin fahren dauert mindestens einen Tag uns außerdem verlangen die Herren in Kapstadt 100 Euro, nur um kurz mal anzulegen.

Customs House – Foto: Sayed_85

Wir fahren also mit dem Zug mal wieder nach Kapstadt. In einem der beiden Yachtclubs beschreibt man uns dann den Weg zum Immigration-Office. Nur hier raus aus dem Hafen und dann fünf Minuten weiter, soll wohl das Büro sein. Nach einer viertel Stunde und einem Gelände, das nicht so aussieht, als würde es hier irgendetwas geben, kommt ein Auto an und wendet vor uns. Der Typ kurbelt sein Fenster runter und weiß wohl, wo wir hin müssen und will uns sogar mitnehmen. Auf der zehnminütigen Fahrt erzählt er uns, dass er erst gar nicht mit uns reden wollte, weil er dachte, dass wir Heroinabhängige wären, die ihn nach Geld für die nächste Unterkunft anbetteln. Ansonsten stellt sich heraus, dass er ein Musiker ist und so tauschen wir kurz Kontakte aus, als er uns am Immigration-Office rauslässt. Nur leider dem falschen. Die Jungs dort, verraten uns eine andere Adresse. Wir schnappen uns also ein Taxi und fahren zurück, zurück zu dem Ort, wo uns der Musiker eingesammelt hat. Besten Dank für nichts also. Wir durchqueren Hinterhöfe und finden endlich den Eingang und verlassen denselben eine weitere Stunde später mit Stempeln in unseren Pässen.
Als wir dann endlich auch das Customs-Office finden, will dieser Typ den Zettel vom hiesigen Yachtclub haben, dass wir bezahlt haben. Jetzt entscheidet sich, ob wir noch hier hersegeln und bezahlen müssen, oder nicht:

„Wo ist euer Boot? Im Royal Yacht Club?“ – „Ja klar.“ – „Wo ist euer Zettel?“ – „Den wollten die Leute vom Immigration-Büro haben…“ – „Mh, nagut.“

Glück gehabt. Schon unterschreiben und stempeln wir eine Armada von Papieren und sind draußen. Wir dürfen fahren.
Während ich mich auf den Weg nach Hause mache und schon mal ein paar Netze im Boot anbringe, um unser Gemüse hängend lagern zu können und Druckstellen zu vermeiden, hat Benni noch etwas ganz anderes vor. Er muss noch mit dem Zug nach „Century City“ fahren und unseren Laptop aus der Reparatur holen. Leider nicht repariert, da das bestellte Ersatzteil defekt war. Dann nehmen wir den Haufen Schrott eben noch mit auf den nächsten Kontinent. Nach vier Stunden ist der Captain dann auch endlich im Yachthafen.

T + 48 Stunden

Wir fahren rückwärtsHeute geht es los. Noch kurz das Boot seeklar gemacht, sodass nichts aus den Schränken und Regalen fällt, uns von unseren Familien per e-Mail verabschiedet und auf Facebook ein Abschiedsbild hochgeladen. Dann ist auch schon der Typ da, der uns mit seinem Boot aus dem Hafen schleppen will. Etwas skeptisch bin ich schon, als er seine Leine an unserem Heck befestigt. Ich dachte, er würde sich längs festmachen. Naja, er hat das ja nicht zum ersten Mal gemacht. Dino hilft uns noch die letzte Leine zu lösen und schon gibt der Typ im Boot Gas. Irgendwie ein seltsames Gefühl, so rückwärts zu fahren. Der stromlinienförmige Körper verdreht, wie ein Schwarzes Brautkleid zur Hochzeit oder ein weißes Frack zur Beerdigung. Klar kann man das machen, aber ist das gut?
Keine 100 Meter später bekommen wir die Antwort. Nein, es ist nicht gut. Aufgrund des ungewöhnlich hohen Drucks auf dem Ruder und der hohen Geschwindigkeit, kann Benni das Steuer nicht mehr halten, es verkantet sich und wir fahren gegen eine schwimmende Barriere. Nicht so schlimm, denn die Dinger sind aus weichem Gummi. Da fasst sich der Schlepper ein Herz und fährt viel zu schnell an unsere Marianne, kann seine Geschwindigkeit nicht drosseln und drückt mit der scharfen Kante seines Außenbordmotors in unseren Rumpf.

Unser erstes LochAlles auf Anfang. Wir sind zurück, wo wir schon vor einer Stunde waren. Ein fast Loch im Rumpf, unsere Selbststeuerungsanlage von seinem Seil verbogen. Immerhin hat er sich nicht mal entschuldigt. Was soll man mit so einem Tag machen? Kein Mensch ist an einem Sonntag da, der uns beim Flicken behilflich sein könnte. Wie es aussieht, müssen wir noch ein paar Tage hier bleiben. Naja, vielleicht können wir dann ja doch noch auf den Parasailor warten! Nein, leider haben die Istec Leute nach unserer Absage ihre Kapazitäten anders verteilt. Nichts mit Glück im Unglück für uns.

Also, was machen wir jetzt? Ach ja. Wir hatten unsere letzten Südafrikanischen Rand in Bier investiert. So hängen wir uns in die Koje, schauen Filme, schwängern die Luft mit Rauch und genießen unsere Investitionen. Mal schauen, wann wir los kommen…

Nachtrag:

Der Motor läuft, das Loch ist zugekleistert und wir sind startklar! Jetzt aber wirklich – wir sehen uns in Brasilien!

Ein Gedanke zu „Krisen vor Abfahrten – unser zweiter Unfall“

  1. Auha … Da ging ja mal alles schief… Wünsche
    Euch eine wenig weitere komplizierte überfahrt
    . Bin in Gedanken oft bei euch

    Bis bald hoffentlich .

    Bin ab Anfang April wieder in Kanada
    Häuser bauen

    Meld dich mal

    Peace Out
    Hannes

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