Ich stehe an der Kasse eines kleinen Supermarktes und halte einen, meiner Meinung nach, viel zu kleinen Geldschein in das Gegenlicht der automatischen Glasschiebetüren. Die grüne Fünf sieht irgendwie unnatürlich aus, doch das Wasserzeichen ist da, der kleine Streifen, eingewebt in das Papier, zeigt sich und auch am anderen Rand glänzt es silbern – hätte ich damals nur besser aufgepasst, als mir mein Kumpel von der Bundesdruckerei die Sicherheitsmerkmale erklärt hat. Neun Monate ist es bereits her, dass ich das letzte Mal Euro in der Hand gehalten habe, also beschließe ich, dass der Schein Recht hat, packe den Rest des Wechselgeldes ein, nehme den kleinen Schraubenzieher entgegen und schlendere bei dreißig Grad im Schatten zurück in das Café, in dem gerade ein halbes Glas Wasser auf meinem Laptop gelandet ist. Weiß gar nicht, warum alle immer denken, dass Segeln gefährlich wäre – zweiter Tag an Land nach einer Woche auf See und schon passiert der GAU in Cayenne, Französisch-Guyana. Es war aber auch einfach eine tolle Überfahrt, da musste ja jetzt irgendwas Schlimmes passieren…
Mit einem Knaller setzen wir die Segel in Jericoacoara. Eine der letzten nutzlosen Raketen, die wir in Indonesien gekauft hatten, um uns gegen eventuelle Piratenangriffe zu wehren, ist nun unser Abschiedsgeschenk für die Urlauber auf der Düne, die sich jeden Abend versammeln, um der Sonne beim Untergehen zuzuschauen.
Mit achterlichem Wind und etwa zwei Knoten Südäquatorialströmung in unsere Richtung purzeln die achthundertfünfzig Meilen nur so, dass wir unserem GPS-Gerät kaum Glauben schenken können. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fünfeinhalb Knoten fliegen wir nach Französisch-Guyana, drei Mal schneller, als bei unserem ersten Törn von den Salomonischen Inseln nach Papua-Neuguinea. Neben der Zeitersparnis ist das Tollste an so einer rasanten Überfahrt, dass die Fische unseren Köder interessanter finden und wir endlich mal wieder einen großen Mahi-Mahi aus dem Wasser ziehen können. In Jeri hatten wir zuvor von Marcela aus der Cevicheria eine neue Zubereitungsart für frischen Fisch dazugelernt, die wir kaum erwarten konnten auszuprobieren: Limette auf das in Streifen geschnittene, rohe Filet träufeln, fünfzehn Minuten warten und fertig ist die Ceviche!
Nachts darauf weckt mich der Captain etwas zu früh für den Schichtwechsel. Total verschlafen, aber von einer spirituellen Kraft geleitet, schneide ich Limetten, diesmal nicht für Ceviche, sondern für einen ganz besonderen Trunk. Zum dritten und letzten Mal werden wir den Äquator überqueren und uns endlich wieder in der nördlichen Hemisphäre und damit auf der heimatlichen Hälfte der Erde befinden. Leider haben wir kein Eis mehr an Bord, seit zweieinhalb Jahren nicht, und so verzieht der Captain beim Genuss des besonderen, zuckerfreien Aquavit-Caipirinhas als erste Tat auf der Nordhalbkugel ordentlich das Gesicht.
Am nächsten Tag lässt der Wind ein wenig nach, sodass wir endlich unseren Parasailor entjungfern können. Ein wenig Petting hatten wir ja schon in Rio betrieben, kurz mal am Steg hochgezogen, da wir unbedingt unser Logo auf dem Segel bestaunen wollten, doch nun wird es ernst. Gewissenhaft klebt Benni scharfe Stellen am Boot ab, die dem leichten Stoff gefährlich werden könnten und bringt ein paar zusätzliche Umlenkrollen und Seile an. Dann geht auch schon das im Bergeschlauch verstaute Segel hoch, nach einer letzten Kontrolle folgt ihm seine Verpackung, Schot dicht und schon steht das Königssegel!
Die Erwartungen an den Parasailor sind hoch, denn die von unseren ISTEC-Herstellerfreunden beschriebenen Eigenschaften sollen das Segel perfekt für so ein „Cruising Couple“ wie uns machen. Um herauszufinden, ob das auch alles stimmt, greifen wir auf eine von der Stiftung Warentest derzeit noch nicht zugelassene Prüfmethode für Spinnaker zurück und kramen die gelb-rot gestreifte, indonesische Doppel-Hängematte hervor.
Zu zweit schaukeln wir so von Backbord nach Steuerbord über das Vorschiff und haken nach und nach die zu erfüllenden Punkte ab: Einfach zu zweit handzuhaben – check – superschnell – check – standfest – check – sogar unser leicht angeschlagener Autopilot steuert uns wunderbar – check – und auch der Liegekomfort ist auf Grund des verminderten Rollens des Bootes außerordentlich hoch – check! Nur mit einer ausgebaumten Fock kann es einen da schon ganz schön heftig über die Reling bugsieren. So schunkeln wir zufrieden noch eine Weile auf unserem neuen Lieblingsplatz dem Sonnenuntergang und Cayenne entgegen.
Auf den letzten Metern wird es dann aber noch ein wenig aufregend. Ohne Motor müssen wir auf circa acht Meilen einem fünfhundert Fuß schmalen Kanal in einem Fluss bis in den sicheren Hafen folgen. Links und rechts der Fahrrinne stehen alle möglichen Vögel im flachen Wasser des Mahury, doch wir haben Glück und ausreichend Wind, um die Einfahrt ohne Probleme zu bewältigen.
Zurück im Café schraube ich den Laptop auf und lasse ihn eine halbe Stunde in der äquatorialen Sonne trocknen. Eigentlich dachte ich, dass wir eine Woche nach Jeri noch eine Woche bis in das Paradies „Karibik“ bräuchten, doch Französisch-Guyana, Teil von Frankreich und der EU will sich von seiner besten Seite zeigen und hält eine Überraschungen nach der anderen für uns parat. Wir haben anscheinend mehr Glück als Verstand, denn der Laptop springt einfach wieder an und im nächsten Supermarkt steht da doch tatsächlich deutsches Dosenbier für neunundsiebzig Cent im südamerikanischen Pilzregal…
Hallo Hannes und Ben,
ich hab schon mal reinhören dürfen und finde, Eure Scheibe ist er Hammer! Tut gut, den allgemeinen Wahlkampf-Syrienkriegs-Abhörskandal-Trubel einfach abschalten zu können und zu erfahren, wie schön die Welt klingt, wenn man sie ein bisschen in Ruhe lässt. Euer letztes Jahr ist angebrochen und ihr habt noch viel vor. Bleibts beim 7. August 2014 in Rostock?
Klaro bleibt es dabei, die Räumlichkeiten für die Willkommensfeier sind schließlich schon gebucht 😉