Es ist auch immer das Gleiche – die Zeit vergeht einfach viel zu schnell. Kaum hat man sich ein wenig eingelebt, schon sind wieder 7 Wochen verstrichen. Und ich hatte mir doch so viel vorgenommen! Und in einer Woche geht sie auch schon weiter, die Jagd nach frischen Musikern. Mosambik steht noch ganz oben auf der Liste für dieses Jahr. Und dann bald natürlich weitere Musikanten in Südafrika, hier in Richards Bay, Durban und Kapstadt. Jetzt sitze ich hier in meinem Zufluchtsort, umrundet von zwei Hunden, einer Katze und einem Kaninchen. Ich hatte nämlich das große Glück zwei nette junge Damen kennen gelernt zu haben, bei denen ich mich regelrecht eingenistet habe. Ich bin überaus froh über diese bequeme Schlafgelegenheit, denn unsere Marianne ist im Moment alles andere als ein schönes Zuhause.
Vielmehr ist sie die reinste Baustelle. Überall liegt Werkzeug. Tausend Schraubenzieher und Schraubenschlüssel samt Schrauben in allen Längen und Dicken, Bohrmaschinen und Schleifgeräte. Der Boden ist übersät mit Kanistern voll Farbe, Pinseln, Schleifpapier, Fieberglasmatten und Epoxykleber. Das Vorschiff ist überladen mit… ach ich weiß gar nicht was da so alles herumliegt. Will ich auch gar nicht wissen. Und mein Bett muss ich auch jeden Abend erst suchen, um mich dann durch etliche Müllschichten hindurch zu graben. Ich darf gar nicht daran denken, dass ich das alles auch noch wieder aufräumen muss, bevor Hannes wiederkommt. Ich mag ja vieles, aber aufräumen gehört definitiv nicht zu meinen Favoriten. Wenn man draußen auf dem Meer ist, dann hat alles seinen Platz. Wenn etwas gebraucht wird, dann wird (oder muss) es anschließend sorgfältig an seinen bestimmten Platz zurückgelegt werden. Sonst landet es zielsicher nach der nächsten Wende auf dem Boden und ist im besten Fall kaputt. Wenn man dann aber mal im Hafen oder vor Anker liegt, dann sieht das Schiff spätestens nach 2-7 Stunden so aus, als hätte hier der Tornado gewütet, den wir auf unser letzten Überfahrt umfahren sind. Es ist immer das Gleiche. Ich bin also überaus dankbar für jede Gelegenheit, die ich nicht auf der Baustelle verbringen muss.
Wir lernen Lauren und Sarah bereits am ersten Tag kennen, als Hannes und ich in Richards Bay ankommen. Durch Zufall treffen wir beim Einklarieren im Zollamt auf die vier Brasilianer, mit denen wir auch schon ein paar nette Abende auf Nosy Be in Madagaskar verbracht haben. Da die Jungs schon am nächsten Morgen weiter segeln wollen, um pünktlich zu Weihnachten in der Heimat zu sein, verabreden wir uns für den Abend im Yachtclub, um gebührlich Abschied zu feiern.
Lauren und Sarah arbeiten in dieser Nacht an der Bar. Je mehr wir also an der Bar bestellen, desto besser lernen wir uns alle kennen. Es ist immer am besten unter den Fittichen von Einheimischen zu sein. Wo gibt es das leckerste und schärfste Curry in der Stadt? Welcher Strand ist am geeignetsten zum Surfen? Welches Bier schmeckt am süffigsten? Wir wissen es bereits nach dem ersten Abend. Als Hannes die frühzeitige Heimreise antritt und nachdem ich zum ersten Mal die Gitarre mit an den Strand nehme, bin ich akzeptierter Dauergast in Laurens und Sarahs Haus. Die beiden wohnen zusammen und sind beste Freundinnen seit ihrer Geburt.
In den kommenden Wochen lerne ich so durch die beiden halb Richards Bay kennen. An manchen Tagen winken mir Leute aus fahrenden Autos zu und ich winke zurück, habe jedoch nicht die geringste Ahnung mit wem ich es da wohl zu tun habe. Ab und zu hört man auch ein “Howzit, Ben?” (Südafrikanischer Slang für: How is it going? oder Wie geht es Dir?). Ein strahlendes Lächeln zurück reicht dann meistens, um den Gegenüber im guten Glauben eines Wiedererkennens zu lassen. Jeden Tag in den nächsten Wochen stehe, knie oder liege ich unter, neben oder auf unserer Marianne und schraube, schleife, klebe und male bis mir die Finger weh tun. Zum Glück sind meine unmittelbaren Nachbarn echte Bootsbauer, die sich mit Nirosta (Nichtrostendem Stahl), Farbe, Elektrik und sowieso allem auskennen, was ich bei uns reparieren muss. Denn manchmal bin ich trotz stundenlangem „Googlen und Youtuben“ ratlos über meine nächsten Reparierschritte. Zwischendurch bin ich immer herzlich willkommen auf einen Kaffee bei Yanni in der Werkstatt, um gleichzeitig meinen nächsten Tipp abzuholen. Tja, manchmal hat es schon Vorteile, wenn man der Jüngste ist zwischen zahlreichen und erfahrenen Rentnern im Yachtclub! Doch eine Abwechslung vom schnöden Arbeitsalltag schadet nie. Und so geht es mit Lauren auf in das Umfolozi Game Reserve, ein Park mit allen wilden Tieren Afrikas. Gemeinsam fahren wir in Laurens Auto durch das Gelände und es dauert nie lange bis wir das nächste Lebewesen entdecken. Eigentlich ist es immer Lauren, die ein ausgeprägtes Auge für das Erspähen von wilden Tieren entwickelt hat, denn man muss manchmal schon sehr genau hinschauen, um hinter dem Dickicht eine Bewegung erkennen zu können. Doch ab und zu stehen sie auch direkt vor unserem Wagen und kommen gefährlich nah an uns heran, sodass meine Hand beim Filmen manchmal leicht zu zittern beginnt. Das einzige was jetzt noch fehlt ist ein bisschen Musik. Aber das lässt sich doch machen…
Am darauf folgenden Wochenende ist ein Besuch bei Sarahs und Laurens Freunden an der South Coast eingeplant. Die South Coast ist ca. 300 km südlich von Richards Bay. K’an und Taryn sind Geschwister und segelten mit ihren Eltern für 7 Jahre um die Welt. Unterwegs brachte ihr Vater ihnen Gitarre spielen bei und seitdem ist das gemeinsame Musizieren ein fester Bestandteil im Leben der beiden. Den größten Teil des Wochenendes verbringen wir zusammen mit Greg, dem Schlagzeuger und anderen Freunden in ihrem Proberaum und spielen zusammen was uns in den Sinn kommt. Ich bin sofort begeistert von ihren zahlreichen eigenen Songs und so schnappe ich mir die beiden am nächsten Morgen und wir gehen auf das Dach eines Einkaufszentrums. Es ist das höchste Gebäude der Stadt. Von hier oben hat man einen fantastischen Ausblick und der leere Parkplatz bietet eine tolle Aufnahmeatmosphäre. Schade, dass wir nur so wenig Zeit haben, denn ich hätte gerne noch die nächsten Tage mit den beiden verbracht. Doch wir müssen die Heimreise antreten, denn morgen ist ja schließlich wieder Montag und Lauren muss zur Arbeit. Bin ich froh, dass ich selbstständig bin! Jetzt muss ich mich aber wirklich beeilen, um mit allen Arbeiten am Boot fertig zu werden, bevor Hannes wieder kommt. Denn viel Zeit bleibt mir nicht mehr und der Emailaustausch mit den Kontakten aus Maputo bestätigt, dass es jetzt auch nicht mehr weit ist bis zu meiner nächsten Musikerjagt. Es scheint so einiges geplant zu sein für meinen Aufenthalt in Mosambik inklusive Fernsehauftritt! Ich bin sehr gespannt, welche musikalischen Abenteuerklänge mir diese afrikanische Stadt wohl zeigt.