Wir wussten schon immer, dass unsere „Marianne“ auf Grund ihres korpulenten Kiels nicht gerade die Schnellste ist. Doch noch nie hatten wir die Möglichkeit, uns mit anderen zu vergleichen. Normalerweise verlässt ein Weltumsegler-Boot den Ankerplatz nur für die nächste Ozeanüberquerung, doch „La Grande Regate de Nosy Be“ können wir uns einfach nicht entgehen lassen!
Um 11 Uhr am Samstag sollen sich alle Skipper der 15 teilnehmenden Boote an der Bar der Marina in Crater Bay einfinden. Ein ausgesprochen guter Treffpunkt wie sich herausstellt, denn bis tatsächlich alle eintrudeln und die Besprechung beginnen kann, entwickelt sich bei den Pünktlichen ein enormer Durst. Mit nur anderthalb Stunden Verspätung erklärt uns Marina-Chef Rudi in einem Kauderwelsch aus Französisch, Englisch und Deutsch die Strecke zur Russian Bay und am nächsten Tag wieder zurück.
Alle versuchen höchste Aufmerksamkeit vorzutäuschen und dabei so viel Schabernack wie möglich zu treiben. Es wird verständnisvoll genickt, aber ansonsten gelacht und dazwischengerufen. Wir nehmen nach der Besprechung die Klassenfahrtsatmosphäre mit aufs Boot und tuckern langsam zum Startpunkt.
Dank taktischer Weitsicht meines Captains können wir tatsächlich als einer der ersten über die Startlinie fahren, doch schon nach kurzer Zeit überholt uns noch das letzte Boot. Um der aufkommenden Schwermut entgegenzuwirken, gibt es zum Baguette ein Bier. Etwas munterer beobachten wir dann, wie die Katamarane nicht hart am Wind fahren und direkt auf die Bucht zusteuern können, sondern etwas weiter abfallen. So müssen sie zwei Mal Wenden, um das Ziel zu erreichen. Drei dieser schwimmenden Häuser reihen sich dann kurz vor dem Zieleinlauf tatsächlich hinter uns ein und in uns keimt Hoffnung auf.
Entweder ich hatte bei der Besprechung nicht richtig zugehört oder unsere „Regatta-Vorbereitung“ im Number One Club bis 3 Uhr in der Früh war extrem kontraproduktiv. Wir wurden zwar vor einem Riff östlich der Bucht gewarnt und wir befinden uns westlich von dieser, doch innerhalb von wenigen Sekunden wird das Wasser immer flacher. Der Tiefenmesser zeigt plötzlich nur noch 1,5 m Platz unter dem Kiel an. Um nicht auf Grund zu laufen, navigieren wir mit vier Wenden aus der Untiefe heraus und fahren Dank dieses Umwegs als Vorletzter ins Ziel.
Mit großem Hunger nach den vier Stunden Fahrt setzten wir über zum Strand und freuen uns auf Kartoffelsalat, Fleischspieße und gegrillten Fisch. Leider sind die Madagassen nicht so gute Techniker, wie sie kochen können und so bleibt die aufgebaute Musikanlage stumm. Es wird Bier getrunken und meilenweise Seemannsgarn gesponnen, bis wir uns irgendwann erbarmen und unsere Gitarren holen.
Zur Belohnung werden wir mit Bier und einem Kokosnussmilch-Rum-Gemisch versorgt. Die Kehlen bleiben feucht und so schmettern wir einen Song nach dem anderen, bis um 4 Uhr auch der Letzte sich in sein Dinghy setzt und zu seinem Boot fährt. Uns tun die Finger weh und wir entscheiden uns, nicht zur Marianne zu paddeln, sondern im weichen Sand unter dem klaren Sternenhimmel am Strand zu schlafen.
Keine gute Entscheidung, wie sich später herausstellt. Am nächsten Morgen ist unser Schlauchboot weg und in der gesamten Bucht nicht mehr zu finden. Trotzdem nehmen wir an den Strandspielen gegen die anderen Mannschaften erfolgreich Teil und geben auch auf dem Rückweg zur Marina alles. Obwohl wir ein Schlauchboot leichter als auf der Hinfahrt sind, kommen wir so spät am Ziel an, dass unsere Zeit von der Jury nicht mehr gestoppt wird und wir disqualifiziert werden. Wir wussten ja, dass wir langsam sind… aber so langsam? Das hätten wir nun wirklich nicht gedacht.
Als Trostpreis und kleines Dankeschön, dass wir den Abend mit unserer Musik gerettet haben, dürfen wir dann aber tatsächlich ein Dinghy von Rudi nun unser Eigen nennen. Wir sind total aus dem Häuschen über dieses Geschenk und können unser Glück kaum fassen. Hoch und Tief liegen auf diesem Trip manchmal sehr nah beieinander…