Zur richtigen/falschen Zeit am richtigen/falschen Ort

Die Überfahrt von Jamaika nach Kuba war nicht gerade die einfachste. Hundertvierzig Meilen von Montego Bay bis nach Santiago de Cuba – hundertvierzig Meilen lang Wind auf die Fresse aus Santiago de Cuba. Vier Tage fünfundvierzig Grad Krängung. Normalerweise hätte man den Trip in vierundzwanzig Stunden machen können, doch wir kreuzten vier mal so lange vor der kubanischen Küste.

Dicht unter Land haben wir haeufig wechselhaftes Wetter
Dicht unter Land haben wir haeufig wechselhaftes Wetter

Von unserem Kumpel Reini und auch von Bennis Vater bekommen wir alle zwei, drei Tage Wetterberichte auf das Satellitentelefon zugeschickt. Wenn es nach mir ginge, bräuchten sie das in neunundneunzig Prozent der Fälle nicht tun, denn meistens wecken sie Hoffnungen in uns, die dann enttäuscht werden. Da freuen wir uns kurz vor Kuba auf läppische zwei bis fünf Knoten Wind, gleichbedeutend mit einer glatten See ohne viel Welle, aber trotzdem genug Wind, um unter vollen Segeln bequem voran zu kommen. Doch wenig später fahren wir nur noch mit der Fock, ohne Großsegel, klatschen in die Wellen bei maximaler Krängung, weil es mindestens zwanzig Knoten geworden sind.

In Action bei einer der vielen Wenden
In Action bei einer der vielen Wenden

Dazu kommen nahe der Küste Kubas noch unstetige Winde, die dem Captain mindestens eine schlaflose Nacht bescheren, da er keine Meile verlieren will. Kein Wind, Segel runter, Maschine an – wenig später Wind, Segel hoch, Maschine aus – Windrichtungswechsel, Wende, dazu die Strömung, die uns unweigerlich von unserem Ziel weg zieht. Der Februar ist nicht unbedingt die beste Zeit, um von Jamaika nach Kuba zu segeln.

doch drinnen ist alles in Ordnung
doch drinnen ist alles in Ordnung

Von Segelgefährten Hinnerk Weiler kursierte vor ein paar Wochen ein Bericht auf Spiegel Online herum, der von seinen, meist negativen Erfahrungen, mit den kubanischen Behörden berichtete. Dazu macht uns direkt bei der Ankunft in der Marina noch ein Belgier Angst, indem er uns erzählt, dass die Beamten kleinste Krümel aus irgendwelchen Ritzen hinter Matratzen hervorkramen und auf Spuren von Marihuana testen würden. Wir haben zwar absolut nichts an Bord (von dem wir wüssten), aber wir kommen nun mal aus Jamaika! Da verkaufen Taxifahrer Joints und wer weiß, was da bei einer steifen Brise auf unsere MARIANNE geweht wurde…

Der Moment, in dem ich die Leine an Land werfe
Der Moment, in dem ich die Leine an Land werfe

Es kommen insgesamt fünf Uniformierte zu uns aufs Boot, alle sehr freundlich, MARIANNE wird eine Stunde lang durchsucht, unser Bündel Thymian erst nach dreißig Minuten kritisch beäugt, mein brasilianischer Tabak mit zum Test genommen. Schließlich träufelt manChemikalien auf „Beweiskrümel“, es zeigt sich die richtige Farbe und schon sind wir frei! In Australien hatte ein Beamter unser Boot auch eine Stunde lang durchsucht und am Ende unseren noch eingeschweißten Käse, samt anderem Müll mitgenommen und dafür auch noch dreihundertdreißig Dollar verlangt – hier ist das wenigstens umsonst.

Wir bewaffnen uns mit Kameras, ich schnalle mir eine GoPro mit dem Brustgurt um und wir stürzen uns ins kubanische Leben, Land Nummer zwanzig, wir kommen!

Nach der ersten Dusche fuehlt man sich gleich ganz anders
Nach der ersten Dusche fuehlt man sich gleich ganz anders

Doch zunächst brauchen wir Kohle, Zaster, Mäuse. In der Marina gibt es keinen Geldautomaten, doch Norbert, der Marinamanager leiht uns freundlicher Weise zwanzig CUC („CubanConvertibles“ oder auch „pesosconvertibles“, etwa zwanzig US-Dollar), um in die Stadt zu fahren. Punkt eins unserer Liste erledigen wir sofort – für einen CUC gibt es das erste kubanische Bier direkt in der Marina. Das Bier schmeckt einfach nur großartig nach der Überfahrt, besser als das jamaikanische, aber natürlich kein Vergleich zum deutschen. Ich bezahle mit fünf CUC und bekomme einen Drei-CUC-Schein zurück. Schon mal einen Schein gesehen, wo eine drei drauf steht?

Marianne liegt sicher am etwas zu hohen Dock
Marianne liegt sicher am etwas zu hohen Dock

Kuba ist gerade dabei sich der Welt zu öffnen und viele Dinge sind hier noch nicht selbstverständlich. So wie ich mich über den Drei-CUC-Schein wundere, schauen mich die Kubaner mit meiner umgeschnallten GoPro an. „Was ist das? – Eine Kamera! – Ohh! Eine Kamera? Kannst Du ein Foto von mir machen? – Ja, aber eigentlich mache ich damit immer Videos… – Videos? Mit DER Kamera?“ Und so ist es für mich als Kameramann eine einmalige Gelegenheit, unbemerkt zu filmen. Selbst die große Kamera, mit Stativ und Mikrofon fällt den Leuten nicht so sehr auf, wie meine nackten Füße. Ich hab mir zwar endlich Sandalen gekauft, doch der rechte Schuh scheuert dermaßen, dass ich nach einem Tag des Herumlaufens in der Stadt eine offene Wunde habe und doch lieber wieder barfuß gehe.

Ja, er kann kaum glauben, dass das eine Kamera ist
Ja, er kann kaum glauben, dass das eine Kamera ist

Nummer zwei auf unserer Liste ist natürlich das Internet. Mittlerweile überall auf der Welt vermutlich ein Grundbedürfnis, noch grundlegender als Essen und Schlafen, doch in Kuba noch eine echte Rarität. Hier schauenjunge Menschen noch spät abends aus Fenstern in leere Gassen, in der Hoffnung, dass jemand vorbei kommen würde, den sie kennen. Kein Facebook-Chat, keine WhatsApp-Nachrichten, noch nicht mal ein Handy. Etwas Wohlhabendere wiederum gehen zum Münzautomaten und telefonieren minutenlang auf der Straße mit ihren Freunden.

Wir fragen unseren Taxifahrer, der uns von der Marina in die Stadt fährt, wo man WiFi finden kann. Er bringt uns in das beste Hotel der Stadt, in das 5-Sterne Hotel „Santiago de Cuba“. Nur hier kann man mit seinem Laptop sitzen und sich ins WiFi einloggen, nirgendwo anders in ganz Santiago de Cuba. Der Preis verhält sich dementsprechend: Zwölf Dollar, für zwei Stunden, für eine Personund extrem langsames Internet. Doch wir sind zu zweit und das kleine Smartphone möchte auch ins Internet…

Ein Hoch auf die „Internet Sharing“ Funktion der MacBooks!Benni loggt sich ins Hotel-WiFiein, „teilt“ dieses über Bluetooth mit meinem MacBook und ich wiederum teile dieses Internet über ein eigenes WiFi-Netzwerk mit meinem Smartphone. Als das Smartphone schließlich Internet hat, fühle ich mich, wie Frankenstein sich gefühlt haben muss, als er sein Monster endlich zum Leben erwecken konnte! Anbei eine kleine Skizze meines Internet-Monsters, das vor drei-vier Jahren hier noch nicht hätte aufleben können, da es für die Bevölkerung noch überhaupt kein Internet gab.

So entsteht das Internet-Monster
So entsteht das Internet-Monster

Nummer drei auf unserer Liste ist standardgemäß etwas fettiges zu Essen. Vom Hotel aus irren wir durch die Straßen, auf der Suche nach einem netten Lokal. „Nett“ heißt dabei, bloß nicht zu chic, denn wir wohlen „goodandcheap“ essen. Nach einer halben Stunde in der Hitze werden wir fündig, schauen durch die Fensterscheiben ins Dunkle des Restaurants; Plastikstühle und –tische, ein paar einfach gekleidete Gäste und die Kellner winken uns schon herein.

Wir freuen uns ueber zwei Pizzen und eine Flasche Wein fuer nur 3,30 Euro
Wir freuen uns ueber zwei Pizzen und eine Flasche Wein fuer nur 3,30 Euro

Wir schauen auf die Karte und können nicht so ganz glauben, dass eine Pizza zwanzig „Wasauchimmer“ kosten soll und eine Flasche Wein fünfzig. Wenn das CUC sind, wäre das ganz schön teuer…Doch irgendwas hatte der verrückte Belgier am Dock erzählt, von wegen, dass es hier zwei Währungen gibt. CUC und Pesos. Er gab uns den Tipp, zwanzig CUC gleich in Pesos umzutauschen. Unser Essen kostet demzufolge entweder hundert CUC, also hundert Dollar, oder aber hundert Pesos, etwa vier Dollar. Wir sind uns nicht wirklich sicher, denn die zwanzig Minuten Taxifahrt hierher hatten schließlich auch schon zehn CUC gekostet; alles ist möglich! Doch als die Kellnerin mit der Weinflasche ankommt, in der sie den Korken reingedrückt hat, uns und dann sich selbst einschenkt, wissen wir, dass wir im Paradies sein müssen. Alles zusammen: Vier Dollar / 3,30 €.

Das habe ich das letzte Mal mit 15 gemacht
Das habe ich das letzte Mal mit 15 gemacht

Im nächsten Lokal kommen wir mit Vladimir ins Gespräch. Er ist Kubaner und hat gerade Urlaub. Wir quatschen ein paar Stunden lang und schweben sofort auf einer Wellenlänge. Da unsere Marina weit außerhalb des Stadtzentrums liegt und jede Taxifahrt hin, oder zurück zehn CUC kosten würden, organisiert Vladi für uns ein Zimmer für fünfzehn CUC die Nacht. Außerdem kennt er jemanden, der unseren Kühlschrank reparieren, meine Hosen nähen und unsere Wäsche waschen könnte, wo wir die günstigsten Zigarren schwarz herbekommen, wie wir an Musiker kommen, wo man Brot kaufen kann… wir tauchen dann mal unter, es gibt viel zu tun und uns scheint, als wären wir trotz dieser anstrengenden Überfahrt zur richtigen Zeit, am richtigen Ort!

Ah, 25 Cohibas fuer 50 Dollar. Was kosten die so in Deutschland?
Ah, 25 Cohibas fuer 50 Dollar. Was kosten die so in Deutschland?
Der Ausblick
Der Ausblick

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