Will oder kann er nicht mehr? Die Geschichte von einem Dieselmotor

Es muss ein schöner Tag gewesen sein. Windstill. Sonnig, aber nicht zu heiß, dass es unangenehm gewesen wäre | Es muss ein schöner Tag gewesen sein. In Washington, Seattle. Am Pazifik | Es muss ein schöner Tag gewesen sein. Irgendwann damals in 1976. Am Tag als unser Motor seinen ersten richtigen Ausflug machen durfte. Unser geliebter Dieselmotor. Ein Prachtstück. Ein Yanmar YSE12. 12 PS. 37 Jahre alt.

“Grumpy” kümmert sich um die verschlissene Dieselpumpe

Leider kennen wir ihn ja noch nicht ganz so lang. Erst schlappe zweieinhalb Jahre. Was ist das schon? Verglichen mit seiner langjährigen Erfolgslaufbahn als Spitzen-Leistungsmotor. Und er hat uns nun die ganze Zeit so treu begleitet! Aber jetzt scheint er sich doch langsam auf seine Pension zu freuen. Will oder kann er jetzt nicht mehr? Unser geliebter kleiner Rosthaufen. Unser Dieselmotor. 12 PS. 37 Jahre alt.

In einer der ersten Emails von Paul, dem Vorbesitzer unserer Marianne, hieß es bereits, dass das Boot zwar topp in Schuss ist, der Motor jedoch leider ein paar Probleme aufweist. Irgendwas mit dem Zylinderkopf. War es die Dichtung gewesen? Und obwohl ich mich schon darauf eingestellt hatte, nach der Bootsübergabe auf den Salomonischen Inseln, die ersten Wochen hauptsächlich mit Motor und Mechanikern zu ringen, waren wir vom Glück gesegnet. Denn Paul hatte netterweise schon selbst ein wenig daran herumgewerkelt, sodass uns dieser K(r)ampf erspart blieb. Der Dieselmotor lief.

Und wie er lief. Zwar nicht immer sehr lange, dafür aber doch irgendwie recht zuverlässig und es benötigte auch nur vier Mechaniker aus Australien, Thailand, Vietnam und Malaysien, bis wir alle notwendigen „Geheimtipps und -tricks“ abgestaubt hatten, sodass wir uns ab sofort selbst um den kleinen Racker und seine Problemchen kümmern konnten. Und das ging dann auch lange ganz gut so. „Bester Mann an Bord“ wurde er zeitweise sogar betitelt. Aber zu viel Lob und Preisung ist ja bekanntlich nicht gut auf Dauer. Dann wird man unmotiviert und faul. Das Phänomen kennt man ja aus der Schule, wenn Lehrer einem wieder die 4+ gegeben haben mit der Begründung, dass einen das ja motivieren soll. Für das nächste Mal! Naja, wir haben wohl zu viele Einsen an unseren Diesel verteilt. Denn in Kapstadt ging es dann los. Der Krampf. Der Kampf um das Überleben. Das Überleben unseres geliebten Dieselmotors. Ein Japaner. Ein Yanmar. 12 PS. 37 Jahre alt.

Rio - Water in the system
Rio de Janeiro – Wasser im System. Der Mechaniker baut sich lustige Ersatzteile

Kapstadt. Motor kaputt. Die Dieselpumpe. Teile verschlissen. Keine Ersatzteile lieferbar. Der Mechaniker kriegt die Pumpe zwar ohne jedwede Zuversicht, jedoch mit viel Schweiß und Zuspruch wieder ans Laufen. Guter Mann. Der Motor läuft wieder.

Rio de Janeiro. Motor kaputt. Wasser im System. Dieselpumpe und Anlasser werden gewartet. Der Mechaniker baut interessant aussehende selbstgemachte Dichtungsringe. Erster Verdacht auf defekten Kolbenring. Das Ersatzteil kostet ein paar Cent, doch müsste für die Reparatur der Motor aus dem Boot herausgeholt werden. Langwieriger Prozess. Wir haben keine Zeit. Motor läuft erst mal wieder, jedoch nur mit halber Kraft und halber Geschwindigkeit. Es geht weiter.

Salvador. Motor kaputt. Erneut Wasser im System. Der Zylinderkopfdeckel wird abgeschliffen und ein neuer Dichtungsring maßgefertigt. Warum das Ganze nun fast 5 lange Wochen dauert, kann einem wohl nur ein echter Brasilianer erklären… Motor läuft wieder. Immer noch mit halber Geschwindigkeit. Weiterhin Verdacht auf defekten Kolbenring.

Fortaleza. Motor kaputt. Schon wieder die Dieselpumpe? Was ist da los? Der Mechaniker ist wieder dran.

Fortaleza - Wird er ihn diesmal reparieren können?
Fortaleza – Wird er ihn diesmal reparieren können?

8 Mechaniker. Die meisten davon sprechen kein Wort Englisch, was das ganze noch lustiger macht. Auf jeden Fall verbessere ich von Tag zu Tag meine Fähigkeiten in Zeichensprache. Interessant auch, wie viel man mit den verschiedensten Geräuschen des Mundes ausdrücken kann. Vom Motorsound bis hin zum Ratsch-Klick-Peng des vom Mechaniker benötigten Werkzeuges. Hab mich bis jetzt jedenfalls noch immer verständlich machen können. Und die Stimmung steigt dann meistens ebenfalls.

Wie viele Städte und Mechaniker werden wir wohl noch brauchen bis wir wieder zuhause sind? Wie viele Male werden wir noch unter Schweiß und Segeln in einen Hafen kreuzen müssen? Ein Retter in der Not heißt hier definitiv wieder mal Segelreporter. Nachdem die Jungs schon geholfen haben, dass wir wieder reißfestes Segeltuch in den Wind halten können, versuchen sie jetzt auch unseren Propeller wieder ans Kreisen zu bringen. Danke lieber Segelreporter, Du bist super!

Es bleibt weiterhin spannend. Wie wird die Geschichte weitergehen? Die Geschichte von unserem Yanmar, dem geliebten Dieselmotor:

Es wird ein schöner Tag werden. Windstill. Sonnig, aber nicht zu heiß | Es wird ein schöner Tag werden. Vielleicht in der Karibik oder den USA? Im Atlantik | Es wird ein schöner Tag werden. Der Tag, an dem unser geliebter Motor seinen nächsten richtigen Ausflug machen darf. Unser geliebter Dieselmotor. Ein Prachtstück. Ein Yanmar YSE12. 12 PS. 37 Jahre alt.

Senf dazugeben