Der Hafen von Galle bei der Einfahrt

Malaysien nach Sri Lanka – Ein 1200 Meilen Trip aus der Sicht des Smutjes

Es wird ernst. Vor uns liegt die längste Strecke, die wir bis jetzt zurückgelegt haben. Tausendzweihundert Meilen von Georgetown in Malaysien nach Galle auf Sri Lanka. Sechs Wochen lang zu zweit eingepfercht auf etwa zehn Quadratmetern. Um uns herum eine endlose Weite aus blauem Wasser und über uns der Himmel. Es folgt der Erlebnisbericht eines Smutjes.

Phase 1: Nahrungsmittelbeschaffungsmaßnahmen

Frühstück in Georgetown

Wie viel Essen und Trinken brauchen zwei ausgewachsene Seemänner wohl in einer veranschlagten Zeit von vier bis sechs Wochen? Diese Frage stelle ich mir das erste Mal, als ich im Supermarkt den Einkaufswagen aus seiner Reihe ziehe. Das mit dem Wasser ist ja relativ schnell berechnet: Pro Person zwei Liter am Tag multipliziert mit großzügigen fünfzig Tagen. Das macht zweihundert Liter Wasser in zehn Kanistern an Deck. Aber wie viel isst man so pro Tag? Mir fällt einfach keine Formel dazu ein. Na dann vertrauen wir einfach auf unser Bauchgefühl. Der Bauch wird schon wissen, wie viel er so brauch’.

Die Abteilung mit den frischen Lebensmitteln verlassen wir mit dem ersten vollen Einkaufswagen. Es stapeln sich Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch, Kohl, Bananen, Äpfel und anderes Obst und Gemüse zu einem imposanten Berg auf. Noch ein letztes mal den Bauch befragen… zwei Ananas gehen da noch rauf. Den zweiten Einkaufswagen beladen wir mit Konserven und einigen wenigen, ausgewählten Luxusartikeln wie Wein und Tabak. Dank unserer Veranlagung zu echten Sparfüchsen, vergehen ganze drei Stunden, bis wir auch ganz sicher sein können, dass wir von jedem Produkt das günstigste Äquivalent in unserem Wagen haben.

Nach einer weiteren gefühlten Stunde an der Kasse, verlassen wir den Laden mit unseren voll gepackten Einkaufswägen, einem großen Loch im Portemonnaie und neugierigen Blicken aller anderen Kunden. Die verrückten Weißen! Draußen sollen wir auf Grund unseres riesigen Einkaufs dann auch gleich horrende Summen für das Taxi bezahlen. Ganz klar! Zum Glück erreichen wir telefonisch unseren Lieblingsfahrer und sind kurz darauf mit unzähligen Tüten auf dem Schoß und zwischen den Beinen auf dem Weg zur Marianne.

Phase 2: Sandwich-Tage

Die erste Woche einer Überfahrt ist eigentlich meine Lieblingswoche. Ich freue mich, dass es endlich weiter geht und ich weiß noch ganz genau, wo ich was unter Deck verstaut habe. Außerdem gibt es jeden Tag Sandwich. Wir haben uns Wurst gegönnt, die mit frischem Salat, Tomaten und einer Saucenmischung ganz wunderbar auf Toast schmeckt. Morgens, mittags und abends. So vergehen glückliche Tage, in denen wir meistens mit ein wenig Wind in den Segeln, die ersten zweihundert Meilen zurücklegen. Bis das Brot anfängt zu schimmeln.

Phase 3: Gemüse im Überfluss

Gemüsesalat
Gemüsesalat

In den folgenden zwei Wochen steht auf unserem Essensplan „Gemüse“. Fängt ein Stück Gemüse an seltsam auszusehen, wird es in unserem neuen Schnellkochtopf mit Kokosnussmilch, Chilischoten, anderen Gewürzen und abwechselnd Nudeln, Kartoffeln oder Reis zubereitet. Ab und an gibt es natürlich auch einen bunten Salat in die Schüsseln. Doch nach einer Woche herrscht  bereits ein wenig Flaute im Appetit auf Auberginen, Zucchini und Kohl. Was sich auch sofort auf das Wetter auswirkt. In den folgenden zehn Tagen können wir unsere Segel schonen, während wir in der Nähe der Nicobaren-Inseln herumtreiben.

Per Satellitentelefon erreicht uns die Nachricht, dass in der Nähe von Sumatra ein Tsunami ausgelöst wurde. Das erklärt vielleicht auch das merkwürdige Verhalten des Wassers. Bei anhaltender Flaute gleicht die Meeresoberfläche normalerweise der eines Sees. Doch in unregelmäßigen Abständen passieren uns hier seit einigen Tagen lange Bänder von kleinen Wellen, die unsere Marianne ganz schön zum Schaukeln bringen. Nach fünf Minuten ist der Spaß dann zwar jedes Mal wieder vorbei, aber so etwas haben wir vorher noch nicht erlebt. Ob es wirklich Auswirkungen des Tsunamis sind, bleibt fraglich. Wer die Antwort kennt, schicke uns doch bitte eine e-Mail!

Phase 4: Jeden Tag einen Apfel

Da hat endlich einer angebissen
Da hat endlich einer angebissen

Irgendwann ist zum Glück die längste Flaute überstanden. Ab Woche drei bleibt uns ein ordentlicher SW Wind treu. Das einzige noch verbliebene frische Nahrungsmittel an Bord ist seit dem der tägliche Apfel zum Frühstück im Müsli. Da ist die Freude natürlich groß, wenn mal so ein Tunfisch anbeißt! Obwohl der Indische Ozean noch sehr fruchtbar sein soll und wir Tag und Nacht unseren Köder hinterher ziehen, können wir uns auf dieser Reise nur zwei Mal freuen.

Phase 5: Zeit für Konserven

So vergehen auch die Wochen vier und fünf an Bord wie im Fluge. Vielleicht nicht ganz so bequem, wie im Flugzeug… wahrscheinlich gleicht unser hart am Wind Kurs eher einem Flugzeug in Turbulenzen. Wellen und Wind kommen von vorne und schütteln uns ordentlich durch. Wenn wir zu stark in Krängung liegen und das Wasser ständig über die Reling schwappt, ist es Zeit für das nächste Reff. Teilweise fahren wir mit gereffter Fock und zwei Mal gerefftem Groß. Aber immerhin kommen wir voran!

Unser erster Brotteig
Unser erster Brotteig

Zu Beginn der Reise produzieren wir größtenteils nur Bio-Müll, der über Bord gehen kann. Doch jetzt füllt sich auch langsam unser Müllsack mit Konserven. Darunter hauptsächlich Mais-, Erbsen- und Pilzdosen, das ein oder andere Glas mit Tomatensauce und Packungen mit Kokosnussmilch.

Vor der Abfahrt haben wir uns noch einen Schnellkochtopf geleistet. Darin versuchen wir das erste Mal in unserem Leben Brot zu  backen. Klappt eigentlich auch ganz gut. Das Brot hat eine schöne Kruste und ist ansonsten nur wenig pappig. Kurz gesagt: Das beste Brot, dass wir auf unserer Reise bisher gegessen haben! Da ich ja Smutje bin und Arbeitsteilung bei uns groß geschrieben wird, muss ich auch nicht den angebrannten Topf sauber machen. Herrlich!

Phase 6: Weihnachten und Ostern zusammen

Im Zick-Zack Kurs nach Sri Lanka
Im Zick-Zack Kurs nach Sri Lanka

Das Ende der Reise ist dann noch mal richtig anstrengend. Der Wind dreht auf W und teilweise sogar auf NWN. Das heißt für uns: Kreuzen. Obwohl unser GPS anzeigt, dass es noch weniger als hundert Meilen bis zum Ziel sind, brauchen wir im Zick-Zack-Kurs eine komplette Woche dazu.

Wir lassen uns aber nicht unterkriegen und träumen schon von Pizza, Bier und Zigaretten. Da wir ja bald ankommen müssten, lässt meine Kreativität im Kochen leider etwas nach und es landen einfach drei bis vier Dosen im großen Topf. Der Müllsack hängt nun auch langsam verdächtig weit über die Reling.

Noch bevor wir unfreiwillig zu Umweltverschmutzern werden hat das Leid ein Ende und wir erblicken endlich Festland! Jetzt heißt es nur noch, sich mit Behörden herumzuärgern und dann werden wir mit fettigem Essen und einer ordentlichen  Hopfenkaltschale für unsere Mühen belohnt. Bier, wir finden dich!

Senf dazugeben