Willkommen in Europa

Nur noch ein Monat und wir sind mit unserem schwimmendes Schneckenhaus im Exil zu Hause! Nach mehr als vier Jahren kommen wir unserer Heimat spürbar dichter und doch ist irgendwie alles anders als gedacht. Weniger als fünfhundert Kilometer von zu Hause entfernt, sind es die kleinen Dinge, die uns gemischte Gefühle bereiten.

Beard status: It’s complicated.

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Das erste Empfangskomitee

Nach dreiunddreißig Tagen Atlantiküberquerung von Bermuda nach Irland werden wir das erste Mal auf unserer Reise von einem Empfangskomitee begrüßt. Bennis Eltern sind uns mit ihrem Wohnmobil entgegengefahren, haben die letzten Tage sehnsüchtig aufs Meer geschaut, Steine hineingeworfen und unserer Ankunft entgegengefiebert. Mit Ballons, deutschem Bier und deutscher Wurst werden wir am Steg in Crosshaven von den beiden überschwänglich empfangen. Mit wackeligen Beinen, die sich noch nicht an den festen Boden gewöhnt haben, halten wir schon das erste Pils in der Hand. Was für ein Empfang! Völlig aufgelöst fallen wir uns gegenseitig in die Arme. Benni und ich gratulieren uns ob der bestandenen Überfahrt, Bennis Eltern dürfen ihren verlorenen Sohn endlich wieder in die Arme schließen und auch ich bin ein wenig Teil der Familie geworden und werde fest gedrückt.

Europäische Einwanderungsprozeduren

Unsere liebevolle Zeremonie wird vom Irischen Zoll etwas abgekürzt, der ungeduldig in zweiter Reihe steht und darauf wartet, unser Boot genauer unter die Lupe nehmen zu können. Schließlich kommen wir aus der Karibik und sind damit Risikogruppe Nummer eins unter den Touristen. Freundlich werden wir darauf hingewiesen, dass gleich ein Drogenhund an Bord kommen wird und dass wir jetzt die Chance hätten, alles ganz unauffällig zu klären, ohne dass die Eltern etwas davon mitbekommen müssten. Trotz meiner verdächtig roten Augen, die sich anscheinend erst wieder an die Landluft gewöhnen müssen, haben wir aber keine illegalen Substanzen dabei und erklären uns selbstverständlich einverstanden, den Hund an Bord zu lassen. Der Golden Retriever ist sichtlich nervös und muss den Niedergang fast hinuntergestoßen werden. Desinteressiert schnuppert er mal an dem Schapp, dann an einem anderen und schon ist die Prozedur wieder vorbei.

Herzlich willkommen in der EU!

Das erste Mal auf der Reiste bekommen wir keinen Stempel in den Pass gedrückt. Herzlich willkommen in der EU! Etwas langwieriger waren da unsere aktuellen Erfahrungen aus Frankreich. Von der Isle of Wight in England planen wir einen 24-Stunden Trip nach Dünkirchen in Frankreich. Nach erfolgreicher nächtlicher Kreuzung des stark befahrenen Ärmelkanals wollen wir im Morgengrauen gerade den Parasailor setzen, um noch vor Sonnenuntergang pünktlich an unserem Ziel anzukommen, als sich uns ein Zollboot nähert.

Normalerweise war ich immer derjenige, der jedes Fischerboot als potentiellen Piraten überinterpretierte, doch dieses Mal bin ich mir sicher, dass wir nicht Ziel des Zolls sein können. Die irischen Beamten meinten nämlich, dass wir nun im System registriert sind und von jedem einsehbar ist, dass wir erfolgreich kontrolliert wurden. Doch nun ist es Benni, der mit dem Setzen des Parasailors noch warten will, bis das Schiff vorbei ist.
Da ertönt auch schon das Signalhorn des französischen Zolls und wir begeben uns an das Funkgerät. Nach den üblichen Fragen zu Anzahl und Nationalität der Crew bekommen wir mitgeteilt, dass nun ein Beiboot ein paar Personen zu uns an Bord bringen wird. Nach einem etwas ruppigen Anlegemanöver kommen vier bewaffnete Beamte auf die Marianne und befehlen uns, den nächsten Hafen anzusteuern. Wir machen die Herren darauf aufmerksam, dass Boulogne sur Mer vollkommen abseits unseres Kurses liegt und dass wir dorthin auch noch mindestens zwei Stunden bräuchten. Doch sie lassen sich davon nicht abschrecken und so segeln wir das erste Mal mit sieben Besatzungsmitgliedern gen französische Küste.
Die Stimmung ist den Umständen entsprechend relativ gelassen, es wird gelacht und ganz interessiert in unserem Buch geblättert. Im Hafen angekommen sollen wir längsseits am Zollschiff festmachen. Der nächste Golden Retriever wartet schon auf uns und auch zwei Taucher bereiten sich auf ihren Einsatz vor. Scherzhaft weise ich darauf hin, dass die Froschmänner auch gleich unseren Rumpf säubern könnten und werde im Gegenzug gefragt, wie viel mir das denn wert sei. So sympathische Beamte hatten wir definitiv noch nicht an Bord!
Der Drogenhund schlägt mal wieder nicht an, doch trotzdem geht die Kontrolle danach erst so richtig los. Jedes Fach wird komplett ausgeräumt, der Mast gescannt, das Wasser aus unserer Blase einem chemischen Schnelltest unterzogen. Geschlagene sechs Stunden dauert die gesamte Prozedur. Herzlich willkommen auf europäischem Festland!

Wir spüren die Heimat

Wo immer wir in den letzten Jahren mit Marianne anlegten, hatten wir unser zweites Heim dabei. Wir waren also gleichermaßen unterwegs und fühlten uns doch zu Hause. Auf dem Boot zu leben, bedeutete trotzdem weit weg zu sein – mehrere Zeitzonen Unterschied, fast unerreichbar abgeschieden. Nun liegen wir mit Marianne nicht mal fünfhundert Kilometer von Bennis Heimatort St. Augustin entfernt in einer Marina und könnten in etwa vier Stunden in Deutschland sein. Kein Ozean trennt uns mehr von unserem Ziel.

Hangover breakfast with the reunited family on the dock! A photo posted by Sailing Conductors (@sailingconductors) on

Architektur, Vegetation und Fauna sind uns nicht mehr fremd. Der Plattenbau an der Strandpromenade heißt uns willkommen – die Wespe auf dem Marmeladen-Toast kündigt das Ende unserer Reise an. Dinge, die uns definitiv nicht gefehlt haben. Gleichzeitig ist alles auch ganz anders als zuvor. Plötzlich haben wir sogar auf See Handyempfang, im Ärmelkanal sehen wir das erste Mal gleichzeitig die Küsten von zwei Ländern und das Meer ist voll von anderen Segelbooten.

Eines hat sich zum Glück aber nicht verändert: Egal wo wir sind, werden wir freundlich aufgenommen. In London treffen wir Gio wieder, den wir vor zwei Jahren in Jamaika kennengelernt hatten und dürfen einige Tage im Haus seiner Eltern verbringen. Die Küche einer uns bisher völlig unbekannten Freundin von Gio blockieren wir mehrere Stunden mit unserem Equipment und nehmen fremde Musiker auf.

Immer öfter werden wir jetzt gefragt, was wir denn nach der Reise machen wollen. Doch bis zu unserer Ankunft in Deutschland am 30.10. in Hamburg gibt es noch so viel zu tun, dass wir weiter noch gar nicht denken können. So schnell wie möglich wollen wir unsere zweite Platte veröffentlichen – und die wird der Knaller! So viele Lieder müssen noch mit den letzten Musikern befüllt, arrangiert und gemischt werden. Am ersten November spielen wir dann schon die erste Show in der Hamburger Markthalle und gehen erst mal wieder auf Tour. Wir sehen uns also bald wieder,

Eure Sailing Conductors