Spaß auf der Atlantiküberquerung von Bermuda nach Irland

Dies ist er also, der schlimmste Trip unserer bisherigen Segelkarriere. Es regnet, ist neblig und kalt – im besten Falle. Für uns gestandene Badehosensegler eine ganz schöne Umstellung.

Dieser Feind ist nur eine halbe Meile entfernt und aufgrund des Nebels nur kaum zu sehen
Dieser Feind ist nur eine halbe Meile entfernt und aufgrund des Nebels nur kaum zu sehen

Es geht gleich am ersten Abend, das Land ist noch in Sicht, richtig gut los. Benni füllt etwas Wasser aus unseren Vorratskanistern in die kleineren Trinkflaschen und ich proste ihm mit dem ersten von dreihundert zur Verfügung stehenden Litern zu, muss aber sofort wieder ausspucken. „Äh, was ist das denn?“ Das Wasser hat einen sehr aufdringlichen Waschmittelgeschmack. Ich schaue ihn fragend an. Ja, er hatte die Kanister nach meinem Tipp mit einer Waschmittellauge gereinigt und weil das Trinkwasser in Bermuda doch so knapp war nur ein Mal die Kanister danach ausgespült. „Das heißt, unser komplettes Trinkwasser schmeckt jetzt nach Waschmittel?“ frage ich ihn. „Naja, wir haben noch das Wasser in unserer Blase…“ Ich fange an zu lachen, damit ich nicht weinen muss.

Am zweiten Tag muss ich dann leider feststellen, dass unser Kühlschrank irgendwie nicht mehr so kalt ist, wie erwartet. Ich pieke mit dem Zeigefinger eine Packung Hackfleisch an, die eigentlich hart gefroren sein sollte und hinterlasse einen Abdruck im kalten Fleisch.

Wir hatten zum ersten Mal eine neue Taktik gewählt. Der vor drei Monaten neu erstandenen Kühlschrank wurde auf „gefrieren“ gestellt und voll Hackfleisch und Hähnchenbrüsten geladen. Laut Plan hätten wir so bis zum Ende der Reise alle paar Tage eine deftige Mahlzeit mit Fleisch genießen zu können.

Per Satellitentelefon kontaktieren wir unseren Kumpel Reini, der daraufhin mit dem Hersteller korrespondiert, um eine Ferndiagnose zu erhalten. Doch leider ergibt diese nicht weiteres, als dass die Stromversorgung, die ich mühsam ausgebaut habe, anscheinend defekt ist, und auch erst mal defekt bleibt. Die nächsten Tage begehen wir eine der sieben Todsünden: Völlerei. Buletten, Bolognese, Hähnchen auf die Hand. Doch so viel können wir gar nicht essen, so schnell ist das Fleisch schon verdorben und muss leider über Bord gehen.

Wochenlang kein Empfang per Satellitentelefon
Wochenlang kein Empfang per Satellitentelefon

Es folgen Regentage, gemischt mit ordentlich viel Wind. Als Benni mal wieder das Satellitentelefon in die Hand nimmt, um den neuesten Wetterbericht zu empfangen, müssen wir das nächste Unglück beklagen. Das Telefon bleibt stumm und wird es für den Rest des Trips auch bleiben. Trotz vollem Empfang können wir einfach keine Nachrichten mehr empfangen. Dabei kann ein guter Wetterbericht bei dieser Überfahrt doch ein Lebensretter sein, um rechtzeitig bei einer Sturmwarnung den Kurs abändern zu können! Ab jetzt sind wir also auf uns und Marianne allein gestellt.

Die meiste Zeit verkriechen wir uns in unsere Schlafsäcke und liegen so warm eingepackt phlegmatisch in der Koje und lesen, dösen oder schlafen. Für alles andere ist das Wetter zu schlecht. Normalerweise säßen wir jeden Tag von nine-to-five an unseren Laptops und bearbeiteten Musik oder editierten Videos. Doch es ist nur noch so selten sonniges Wetter, dass unsere Solarpanels kaum Energie liefern und die Batterien meistens leer sind. Stromausfall im Büro – die Laptops müssen ausbleiben.

Nachmittgas gibt es einen heißen Earl Grey mit Honig und wenn uns danach ist noch ein Schuss Rum. Dann wird uns mollig warm im Bauch und wir haben einen im Tee, sodass man halbwegs den Gedanken ertragen, dass es noch mindestens zwei so Wochen weiter geht.

Manchmal, wenn die Sonne so ein klein wenig durch die Wolken blinzelt, können wir über den ganzen Tag verteilt einen Rechner laden, um abends einen Film zu schauen. In Schlafsäcke und Decken gehüllt tauchen wir in die Welt von „Breaking Bad“ (sehr gut) oder alle fünf Filme von „Twilight“ (muss man ja, um mitreden zu können, auch mal gesehen haben…) und vergessen den Krieg draußen vor unserer Tür.

Wenn man auf einen Blick die Wassertemperatur nicht mehr von der 12 V Bordspannung unterscheiden kann, brechen andere Zeiten an. Die Anzahl der Eimerduschen wird auf ein Minimum reduziert. Jede Woche eine muss reichen, man schwitzt ja sowieso nicht.

Eine Woche vor Ankunft wird es dann noch mal dramatisch. Zwei Umlenkrollen gehen aufgrund des anhaltend hohen Drucks in den Segeln kaputt, können aber ersetzt werden. Am selben Tag fällt der Spirituskanister für den Herd aus seiner Halterung und ergießt sich auf den Boden. Mit Schwämmen können wir einen Teil noch retten, doch der wird nicht für den Rest der Reise reichen. Auf Kaffee am Morgen und Tee am Nachmittag muss von nun an verzichtet werden. Was wir aber sowieso aus einem anderen Grund bald hätten einsparen müssen. Unser Wasservorrat neigt sich dem Ende zu. Ich hätte am Anfang der Reise niemals gedacht, dass ich mir mehr von dieser Waschmittellauge gewünscht hätte.

Immerhin können wir bis 2 Tage vor Ankunft noch Nudeln kochen. Ab dann wird ein Kindheitstraum war: Es gibt Nudeln mit Tomatensoße ohne Nudeln.

Aber wir halten uns wacker, getreu nach einem Song der Fantastischen Vier – es könnte alles noch beschissener sein, ist es aber nicht.

Songs die auf dieser Reise nicht gerne gehört wurden:
It’s Tropical
Sunshine Reggae

Unser Lieblingssong:
Timber Timbre – Black Water (All I need is some sunshine)

An das irische Wetter müssen wir uns erst gewöhnen
An das irische Wetter müssen wir uns erst gewöhnen

Das Schöne ist ja aber, dass das Gehirn als Schutzfunktion alles Negative schnellstens verdrängt. Wenn wir also angekommen sind, werden wir uns auf das Gute besinnen und uns an eine Überfahrt ohne lebensbedrohlichen Sturm, Tripper oder zerrissene Segel erinnern – ist doch eigentlich ganz gut gelaufen!

Der längste Selfie-Stick der Insel, Americas Cup und ein kleiner Unfall

(Dieser Post wurde im Voraus geschrieben und automatisch veröffentlicht.)

Wir sind jetzt schon eine Weile in Bermuda und haben außer Marianne, das Customs-Büro und den Supermarkt noch nicht viel gesehen, doch heute geht’s los! Wir wollen uns einen Roller mieten und den berühmten pinken Strandsand finden! Wir haben den größten Selfiestick der Welt mit uns, am Ende dann ein wenig Glück und dabei eine Menge Pech und Schmerz und Aua. Aber von vorne:

Doch zunächst heißt es Dinghy aufpumpen, Equipment und Klamotten in wasserdichten Säcken verstauen, Paddel einstecken und von unserem Ankerplatz an Land paddeln.

Noch wussten wir nicht so wirklich, wo wir überhaupt einen Roller mieten können und schlendern ein wenig durch die Altstadt von St. George’s. Da entdecken wir einen witzigen Laden mit diesem alten Rad vor der Tür. Ob die wohl auch neuere Maschinen haben?

Nein, die haben leider nichts für uns, aber jetzt wissen wir, wo wir hin müssen. Unweit von hier gibt es eine richtige Rollervermietung. Ein bisschen müssen wir beim Preis schlucken: 100 Dollar pro Tag ist nicht unbedingt günstig. Aber wir haben die ganze Zeit geankert und auch sonst sehr sparsam gelebt. Jetzt wollen wir was erleben! Das letzte Mal sind wir in Sri Lanka Roller gefahren. Die wichtigsten Hinweise sind direkt auf der Maschine angebracht. Links halten (ja, britische Verkehrsregeln), an Stoppschildern halten und Maschine abschließen.

Nach ein paar Testrunden geht’s schon los und wir cruisen mit einer maximalen Geschwindigkeit von 35 km/h über die Inseln. Zumindest ist das die erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Kann sein, dass wir auch mal ein wenig schneller waren, wer achtet schon so genau auf den Tacho… Der erste Strand auf unserem Plan ist Elbow Beach!

Sieht zwar schön hier aus, aber weit und breit kein pinker Sand zu sehen! Ein wenig enttäuschend, aber der Captain ist schon dran mit der Karte den nächsten Strandabschnitt auszumachen. Angeblich soll unweit von hier “Warwick Long Bay” sein. Wie pink der Sand ist, hängt wohl von der Saison ab, aber wenn wir eine Chance hätten, dann dort, so verrät uns eine Einheimische. Der Zugang zum Strand liegt etwas versteckt und wir sind gespannt, was wir wohl finden werden…

Und ja! Also, der Sand ist jetzt natürlich nicht meeega pink, aber immerhin so ein bisschen. Anscheinend nicht ganz Koralle, nicht ganz Tier, werden diese rötlichen Einzeller “Foraminiferen” genannt und an die Küste gespült. So unter den normalen Sand gemischt, erhält der Strand seine ramontische Farbe. Das wäre also schon mal erledigt denken wir, und Prost!

Es gibt aber anscheinend noch “Church Bay” und da soll es wohl auch pinken Sand geben. Also steigen wir wieder auf den Roller und fahren zum nächsten Abschnitt, sind aber nicht so wirklich erfolgreich, was den Strand anbelangt, wieder normaler weißer Sand. Dafür aber sind ein paar Mädels von hier sehr begeistert von unserem Selfiestick und sie bestätigen uns, dass das der längste Selfiestick von ganz Bermuda ist! Ja, was unser guter alter Bootshaken doch noch alles erreichen kann…

Genug Strand gesehen! Wir fahren kurz an der City Marina in Hamilton vorbei und machen Halt beim Leuchtturm, den wir schon 40 Meilen vor unserer Ankunft in der Nacht ausmachen konnten. Auch hier bringt so ein Selfiestick gewisse Vorteile mit sich: Endlich bekommt man den Leuchtturm und sich selbst mit aufs Foto! Und plötzlich entdecken wir in der Ferne etwas, dass wir bis jetzt nur beim Segelreporter gesehen haben. Super schnelle Segelboote! Kurz vorher wurden wir schon gefragt, ob wir für den Americas Cup filmen würden, der hier in 2 Jahren stattfinden soll und wir waren etwas verwundert. Nun ergibt alles Sinn. Anscheinend sind schon ein paar Teams vor Ort und trainieren.

Schnell fahren wir in die Nähe der Boot, biegen kurz rechts ab, doch die Straße endet leider direkt am Wasser. Benni will unbedingt noch ein paar Aufnahmen von den Booten aus der Nähe machen, bevor sie wieder um die Ecke verschwinden und fährt, doch, sehr rasant auf die Klippe zu. Ich befinde mich derweil bereit entweder abzuspringen oder mitzubremsen. Leider vergesse ich im Eifer des Gefechts, dass ich keine festen Schuhe anhabe. Egal! Es ist echt Wahnsinn zu sehen, wie die Boote dichter an den Wind gehen, rasant an Fahrt aufnehmen und schließlich mit den Kufen aus dem Wasser kommen. Sogar die Begleit-Motorboote haben ihre Probleme mitzuhalten.

Nachdem die Boote verschwunden sind schaue ich runter zu meinem Fuß, ob noch alles in Ordnung ist. Und nein. Nicht wirklich. Blut läuft auf meine Sandalen, ein großes Stück Haut steht ab und ein pochender Schmerz durchzieht meinen Körper vom Zeh bis in die Hüfte. Obwohl wir noch nicht ganz am anderen Ende von Bermuda angekommen sind, plädiere ich für einen Abbruch der Erkundungsfahrt. Der vorher so kühlende Fahrtwind auf dem Soziussitz verursacht nun einen unangenehmen Schmerz an der offenen Wunde und ich muss Benni bitten, auch mal fahren zu dürfen. Voller Adrenalin und meist über der Höchstgeschwindigkeit kann ich den Schmerz vergessen. Nach einer halben Stunde von einem Ende zum anderen erreichen wir wieder St. George’s und Tara, die mal als Tourguide gearbeitet hat und sofort das Wasserstoffperoxid herausholt, um meine Wunde zu säubern. Ein paar Pflaster drauf, beim Zurückpaddeln den Fuß schön trocken in der Kiste halten und ab ins Bett für die nächsten zwei Tage. Mittlerweile siehts aber schon wieder ganz gut aus.

Und Tschüss! Auf nach Irland

Leute, wir sind auf dem Weg nach Irland. Ja, wir haben erzählt, dass wir in Lissabon die Continental Europe Arrival Party feiern wollen, nach dem wir in den Azoren schon mal mit der EU auf Tuchfühlung gegangen sind, aber es geht einfach nicht. Die Winde stehen zu der Zeit echt schlecht, um gen Norden zu segeln und dann gibt es noch das übliche Problem: Unser Motor. Zwar läuft er (gerade), aber auch nur auf halber Kraft. Und da wir so dem berühmten Azoren-Hoch mit seinen weitläufigen Flautengebieten schutzlos ausgeliefert wären, haben wir uns kurzerhand für die etwas windigere Route entschlossen.

Auf direktem Kurs tragen uns die Passatwinde um den 40. Breitengrad also hoffentlich zuverlässig mit 15-20 Knoten auf die richtige Seite des Atlantiks. 2800 Meilen sagt das GPS Gerät – 28 Tage, wenn alles gut läuft. Vermutlich aber länger.

Also, haut rein – macht’s chique und bis neulich,
eure Jungs von den Sailing Conductors

Tara – Love me crazy

In den letzten vier Jahren haben wir größtenteils männliche Musiker aufgenommen. Wir wissen nicht wirklich warum, aber vermutlich tragen sozio-kulturelle Faktoren Schuld daran. An uns kann es jedenfalls nicht gelegen haben! Sobald wir mal eine weibliche Musikerin vor unsere Mikrofone bekommen haben, ist auch gleich mindestens, wenn nicht sogar ein kleiner Hit daraus geworden. Man denke nur an “Travelling Man” mit Vicky Lucato, oder “Kalighata” von Ujjayinee

Seitdem wir nun aber nach unserer Segelpause in Deutschland wieder zurück bei Marianne sind, scheint sich einiges geändert zu haben! In den Staaten fing alles mit Kia in New Orleans an, und danach kamen wir vor lauter großartigen Musikern und Momenten gar nicht mehr hinterher Beweismaterial online zu stellen. Ein dickes Entschuldigung von unserer Seite, aber es gab irgendwie wichtigere Dinge zu tun. Im Moment leben zum Beispiel, die Reise genießen, Filmen, an Marianne rumwerkeln und so.

Als wir aus den Staaten mit Kurs auf Bermuda abgelegt haben, hatte ich ehrlich gesagt nicht wirklich daran geglaubt, überhaupt Musiker auf der Insel mitten im Atlantik zu finden. Recht isoliert liegt der kleine Inselstaat am Rande des berühmten Bermuda-Dreiecks (yeah! wir sind durch!) und das wir gleich so jemanden tollen wie Tara finden, ist ehrlich gesagt auch – naja, nicht die klassische Art, wie wir Musiker normalerweise kennen lernen.

Alles fing mit einem etwas verschrobenen Tourkoller im Magicbus, irgendwo zwischen Chicago und New York an. Jack war ständig an seinem neuen iPhone, Benni tipselte auch unentwegt auf seinem Telefon rum und ich – meine Freundin hatte sich gerade von mir getrennt – fühlte mich wohl ein bisschen einsam und musste an die Storys meiner Single-Freunde in Deutschland denken. Tinder.

Tinder ist eigentlich eine klassische Dating-App. Und so tinderte ich eher aus Langeweile als mit ernsthaften Hintergedanken durch die Welt, bis auf den Bermudas plötzlich Tara auf meinem kleinen Bildschirm auftauchte. Ein Foto von ihr mit einer Gitarre. Gleich nach links geswiped und gleich gematcht. (Für genauere Erklärungen Wikipdia befragen.)

Tara hat hier einen kleinen Laden in St. George’s und verkauft unter anderem selbstgemachten Schmuck aus recyceltem Plastikmüll. Diverse Auszeichnungen hat sie mit ihrer umweltbewussten Mode schon gewonnen, gibt Unterricht an Schulen und ist auch sonst wirklich klasse. Checkt ihren Laden unbedingt aus, man kann wohl auch online bestellen → LaGarzaBermuda.com

Taras selbstgemachter Schmuck
Taras selbstgemachter Schmuck

Gedatet haben wir zwar nicht wirklich, aber dafür etwas viel tolleres angestellt und das könnt ihr euch hier anschauen. Mein erster Tinder-Treff war also ein voller Erfolg. Ein Hoch auf das Web 2.0!

Tagebuch Eintrag Nr. 7 /// Der Magic Bus bekommt einen echten Jack Mantis

Wir sind endlich in New York City, die Sonne scheint und Jack verpasst unserem Magic Bus ein neues Outfit. Im Stile des klassischen Graffiti, das wohl vor einiger Zeit irgendwo hier in der Gegend von Brooklyn erfunden wurde, trägt dieses Bild seinen Namen.

Vielen Dank an Satis & Fy, die uns freundlicherweise ihre Lagerhalle für unseren Bus zur Verfügung gestellt haben, wo es ein Klo und Strom gibt. Was braucht man mehr?